berliner szenen: Ventilatoren schnarrten müde
Die Aufzüge waren von Lieferanten besetzt, also musste ich himmelgraue Stufen hinab, durch ein Treppenhaus mit fleckigen, wie von Hautkrankheiten befallenen Wänden. In den breit angelegten, mit hohen Fenstern versehenen Produktionsräumen der Redaktion herrschte volle Konzentration. Normalerweise herrschte im Redaktionshaus ein angenehmes Klima. Heute aber pfiff die Heizung aus dem letzten Loch, ein permanentes Geräusch, als ob man im Flugzeug säße.
Ein dünner Kloakengeruch kam von den Toiletten her, die Ventilatoren der Rechner schnarrten müde vor sich hin. Raumelemente, Lärmschutzwände, an einer Trennwand klebte die Reproduktion eines Bildes von Modigliani: eine Frau mit schiefer Kopfhaltung in einem schwarzen Kleid. Symptomatisch, irgendwie.
Ich sog etwas von der trockenen Büroluft ein und setzte mich. Das Leben auf den Bildschirmen war aufregender als das eigene. Nach Feierabend wollte ich C. oder K. kontaktieren, ein schneller Anruf vom Treppenhaus aus, unter den Füßen roter Teppich. Aber noch saß ich hier. Ich dachte über On/Off-Beziehungen nach, grübelte über Geschlechtspech und ständige Statuswechsel. Spürte den Wunsch, eine Maschine zu werden.
Jemand kam herein, öffnete einen Schrank, holte ein Laptop heraus, schloss ihn wieder. Dass der Mythos der Handlung immer noch so stark war. Und der des Konflikts. Und der Fortentwicklung. Auf den Schranktüren klebten Abziehbilder von Filmschauspielerinnen. Der Kollege näherte sich, zwei Blicke, ein nüchterner Blick von oben, ein erschrockener von unten. Ich nahm einen Ohrstöpsel heraus, lächelte freundlich, dann folgte ein Kommentar. Ein Schmetterling, der mir aus dem Mund stieg. Er flatterte am Kopf des Kollegen vorbei.
René Hamann
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