die woche in berlin
: die woche in berlin

Ein Berliner Immobilienunternehmer spendet der CDU fast eine Million Euro. Ein Ex-AfD-Abgeordneter und heutiges NPD-Mitglied besitzt offenbar Waffen. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) nimmt komische Wendungen bei der Mietenpolitik

Ein Bärendienst für die CDU und die Demokratie

Immobilienunternehmer spendet fast eine Million Euro

Das größte Weihnachtsgeschenk feierte die Berliner CDU ganz unchristlich mit ein paar Tagen Verspätung. Am 30. Dezember landete eine halbe Million Euro auf ihrem Konto; die höchste Einzelspende an eine Partei im Jahr 2020 überhaupt, wie die Auflistung des Bundestags zeigt. Der Gönner ist kein Unbekannter: Immobilienunternehmer Christoph Gröner hatte der Union bereits im Frühjahr 300.000 Euro überwiesen. Eine schöne Bescherung – aber eigentlich nur im negativen Sinne.

Mit fast einer Million Euro unterstützt Gröner, dessen CG-Gruppe nicht nur in Berlin meist teure Immobilienprojekte hochzieht, eine Partei, die sich immer mehr als Gegner von Berlins Miete zahlenden Menschen präsentiert.

Diese Positionierung widerspricht eigentlich völlig der Taktik einer Volkspartei – Berlin ist immer noch eine MieterInnenstadt – und ist nur durch Frontstadt-CDU-typisches (überholtes) ideologisches Gebaren zu erklären. So hofft man, sich von Rot-Rot-Grün und zum Beispiel dem von der Koalition durchgesetzten Mietendeckel abzugrenzen. Dabei ist Gröner, der sich zuletzt einen Kleinkrieg mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um den Umbau des einstigen Postbankhochhauses lieferte (und verlor), wohl ein passender Partner.

Zum Umgang mit der 500.000-Euro-Spende will sich CDU-Generalsekretär Stefan Evers nicht konkret äußern. „Die Berliner CDU steht für neuen Zusammenhalt, für einen verantwortungsvollen Politikstil mit Maß und Mitte“, lässt er auf taz-Anfrage erklären; es sei „ermutigend, dass wir dafür zunehmende Unterstützung aus breiten Teilen der Stadtgesellschaft erfahren“.

In den Ohren vieler BerlinerInnen, die sich keine Zweizimmerwohnung für eine halbe Million Euro leisten können, dürften „Maß und Mitte“ wie Hohn klingen.

Man könnte also schlicht sagen: Mit der Annahme der Riesenspende hat sich Berlins CDU endgültig als Partei der Besserverdienenden, als schwarz-oranger FDP-Klon und als unwählbar für breite Schichten etabliert. Aber das Problem in diesem Fall ist nicht nur die Union. Es sind auch Menschen wie Gröner.

Dass das Parteiengesetz überhaupt Spenden in sechsstelliger Höhe erlaubt, ist eine Farce; dass Unternehmer solche Unsummen spenden, ein Affront. Sie schaden damit der Demokratie, weil sie dem Vorurteil Vorschub leisten, die Politik sei wenn schon nicht käuflich, so doch zumindest in irgendeiner Form beeinflussbar. Wie sonst ließe sich eine so auffallend hohe Spende begründen, selbst wenn Menschen wie Gröner sie aus der Portokasse zahlen?

Damit schaden die Spender letztlich genau denen, die sie eigentlich direkt unterstützen wollen: den demokratischen Parteien. In Zeiten von Fake News und Parlamentserstürmungen ist das nur die feinere Art, das politische System zu untergraben. Bert Schulz

In den Ohren vieler BerlinerInnen, die sich keine Zweizimmer­wohnung für eine halbe Million Euro leisten können, dürften „Maß und Mitte“ wie Hohn klingen

Bert Schulzüber eine Spende an die CDU

NPD-Abgeordneter mit Waffen

Kay Nerstheimer gehört
endlich entwaffnet

Wer sich mit der Konsumleidenschaft des Abgeordneten Kay Nerstheimer befasst, bekommt unschöne, wenngleich erwartbare Einblicke in eine rechtsextreme Gedankenwelt. Nicht nur verherrlicht das als AfDler ins Parlament eingezogene NPD-Mitglied in öffentlich einsehbaren Shopping-Rezensionen die Wehrmacht oder stellt das Grundgesetz in Frage, Nerstheimer behauptet auch auf Amazon und einem Waffenportal, dass er mehrere Waffen besitze: eine Česká ČZ 75 B sowie eine MP 40, die Maschinenpistole der Wehrmacht. Nach einer taz-Recherche wurde aus Sicherheitskreisen mittlerweile bestätigt, dass Nerstheimer eine Waffenbesitzkarte hat – obwohl er dies als Mitglied der verfassungsfeindlichen NPD laut Waffengesetz eigentlich nicht dürfte.

Es ist beunruhigend, dass ein derart unverhohlener Rechtsextremer im Parlament sitzt und zudem bewaffnet ist. Und es zeigt einmal mehr, wer da so alles auf dem AfD-Ticket demokratische Institutionen aushöhlt. Dabei war bereits vor der Wahl 2016 klar, dass Nerstheimer ein Rechtsextremer ist. Schon 2012 liebäugelte er nämlich damit, eine rechtsextreme Miliz aufzubauen, und gab sich als Division Leader der militanten und rechtsextremen Organisation German Defence League aus. Dass er nicht in die AfD-Fraktion aufgenommen wurde, lag an medialem Druck, nicht an glaubhafter Abgrenzung der AfD. Mittlerweile ist Nerstheimer ohnehin zum Original, der NPD, übergelaufen.

Aus Sicherheitskreisen hieß es nach der Recherche, dass Nerstheimer seine Waffen zwar nicht in der Öffentlichkeit tragen, aber zu seiner Schießstätte und zurück transportieren dürfe. Immerhin läuft nach taz-Informationen seit etwa einem Jahr ein Prüfverfahren, um ihm die Waffenbesitzkarte zu entziehen.

Irritierend bleibt, dass dieses Verfahren auch nach Nerstheimers NPD-Eintritt im November noch zu keinem Abschluss gekommen ist.

Welche Informationen braucht man noch, um zu urteilen, dass Nerstheimer ein Rechtsextremer ist? Im Waffengesetz steht unmissverständlich, dass Mitglieder verfassungsfeindlicher Parteien keine Waffen besitzen sollen. Urteile gab es dazu auch bereits. Worauf wartet die Waffenbehörde? Nehmt diesem NPDler die Waffen weg! Gareth Joswig

Das rätselhafte Erbe des Matthias Kollatz

Der Streit um SPD-Mann
Volker Härtig eskaliert

Matthias Kollatz war als Finanzsenator ein Glück für Berlin. Anders als sein Vorgänger hat er eine Politik nicht torpediert, die auf mehr soziale Verantwortung der Wohnungsbaugesellschaften setzte. Und als der Mietenvolksentscheid in die Gründung der Wohnraumversorgung Berlin (WVB) mündete, benannte er den Aktivisten und Wohnungswirtschaftler Jan Kuhnert als einen von zwei Vorständen.

Matthias Kollatz war ein Glück. War muss man deshab sagen, weil er zum einen nach der Wahl im kommenden Herbst nicht mehr Finanzsenator sein wird. Sein Rückhalt beim neuen Führungsduo Saleh/Giffey ist, vorsichtig formuliert, überschaubar.

War aber auch deshalb, weil Kollatz auf den letzten Metern drauf und dran ist, sein stadtentwicklungspolitisches Erbe zu verspielen. Anstatt den Vertrag mit Jan Kuhnert bis zu den Wahlen zu verlängern, setzte er ihn vor die Tür und entschied sich für den SPD-Mann Volker Härtig. Es war eine Provokation mit Ansage. Denn nicht nur bei Stadtaktivisten ist der Vorsitzende des SPD-Fachausschusses Soziale Stadt wegen seiner ablehnenden Haltung zum Mietendeckel ein No go. Auch Linke und Grüne lehnen ihn vehement ab. Zuletzt hatte er vor einem Jahr Unterschriften für die Entlassung der damaligen Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) gesammelt. Um den Koalitionsfrieden schert sich der robuste Poltergeist wenig, um sein eigenes Ego um so mehr.

Und Matthias Kollatz? Seit der Ernennung von Härtig rätseln viele, auch in der SPD, was den Finanzsenator getrieben haben mag. Druck von Giffey und Saleh, die die Zügel bei der Regulierung des Wohnungsmarkts wieder lockern und stattdessen aufs altbekannte Mantra Bauenbauenbauen setzten wollen, ist unwahrscheinlich. Warum sollte Kollatz denen folgen, die ihn fallen lassen werden?

Wie man es dreht und wendet, bleibt die Entscheidung Kollatz’ ein Rätsel. Vor allem auch deshalb, weil er am Ende nun doch für eine Politik steht, die eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik in Frage stellt. Die Entscheidung für Härtig ist auch eine Entscheidung für einen politischen Kurswechsel des Finanzsenators.

Ob er damit durchkommt? Immerhin wird Härtig, wenn der Senat am Dienstag nicht doch noch die Reißleine zieht, nur einer von zwei Geschäftsführern sein. Die andere Chefin der WVB, die von Bausenator Sebastian Scheel bestimmt wurde, ist Ulrike Hamann und steht den stadtpolitischen Initiativen nahe.

Und auch die neue Kooperationsvereinbarung zwischen Scheel und den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die die WVB verhandelt, ist auf der Zielgeraden. Sie zu unterzeichnen und damit noch mehr Menschen mit WBS den Weg in eine landeseigene Wohnung zu ermöglichen, könnte der versöhnliche Akt des Finanzsenators sein, am Ende wenigstens nicht alles Porzellan zu zerschlagen. Oder aber auch die finale Abkehr von seiner bisherigen Politik, wenn er die Vereinbarung, mit tatkräftiger Unterstützung von Härtig, platzen lässt. Uwe Rada