„Soll ich meine Ansichten widerrufen?“

Nach 36 Tagen Hungerstreik ist der inhaftierte iranische Journalist Akbar Gandschi ins Krankenhaus eingeliefert worden. In einem Brief beschreibt er seine Motive. Niemand darf zu ihm, und die Ärzte behaupten, einen Hungerstreik gebe es nicht

VON BAHMAN NIRUMAND

Nach 36 Tagen Hungerstreik ist der iranische Journalist Akbar Gandschi am Montag mit Herzversagen ins Teheraner Milad-Krankenhaus eingeliefert worden. Seine Tochter Rezwaneh teilte der iranischen Nachrichten Irna mit, sie habe von Freunden von der Einlieferung erfahren. Sie sei unmittelbar danach mit ihrer Mutter zum Krankenhaus geeilt, aber nicht zu ihrem Vater vorgelassen worden.

Gandschi war im Jahr 2000 nach seiner Teilnahme an einer von der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin veranstalteten Iran-Konferenz festgenommen und zunächst zu zehn Jahren Haft und fünf Jahren Verbannung verurteilt worden. Später wurde das Urteil auf sechs Jahre Gefängnis abgeändert.

Der kritische Journalist, der nun seit mehr als fünf Jahren hinter Gittern sitzt, wurde vor allem dadurch berühmt, dass er die Rolle der Staatsführung, insbesondere die des früheren Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani, bei mehreren Morden an Schriftstellern und Intellektuellen aufdeckte. Anfang Juni trat er in einen Hungerstreik, um seine bedingungslose Freilassung zu erreichen. Seit langem leidet er unter schwerem Asthma und starken Rückenschmerzen und muss dringend außerhalb des Gefängnisses behandelt werden.

In einem zweiten Brief vom 14. Juni aus dem Gefängnis begründet er, warum er den Weg der „Selbstvernichtung“ zur Erreichung seines Ziels gewählt habe. Er lehne jede Form von Gewalt ab, wolle aber der Welt zeigen, wie „Andersdenkende“ in der Islamischen Republik behandelt würden. Revolutionsführer Ali Chamenei habe viele Intellektuelle und Kulturschaffende „regelrecht abschlachten“ lassen. Auch im Ausland seien Mordattentate auf Kritiker durchgeführt worden. „In unserer Gesellschaft gibt es nur eine Stimme, die Stimme des Revolutionsführers, die anderen müssen schweigen“, schreibt Gandschi.

Er, Gandschi, wolle kein Held sein. „Soll ich mich aber den Forderungen der Justiz beugen und meine Ansichten widerrufen?“ Er habe die Wahl zwischen Selbstverleugnung und Fortsetzung seines Protests. Er habe sich für den Widerstand entschieden. Er werde sein Nein zu diesem Staat niemals zurücknehmen, werde niemals seinen Kampf für Menschenrechte und Demokratie aufgeben.

Gandschis Einlieferung ins Krankenhaus und vor allem der Umstand, dass weder seine Angehörigen noch seine Anwälte ihn besuchen dürfen und die gesamte Abteilung zur militärischen Sperrzone erklärt worden ist, gibt Rätsel auf. Sowohl die Justiz als auch der Chef des Milad-Krankenhauses behaupten, Gandschis Gesundheit sei völlig normal, einen Hungerstreik habe es nie gegeben. Der Grund für seine Einlieferung sei ein Meniskusriss, der operativ behandelt werden müsse. „Mit Gandschis Gesundheit gibt es keinerlei Probleme, er isst ordentlich und es geht ihm sehr gut“, erklärte der Chef des Krankenhauses, Fattahi, der Nachrichtenagentur Irna. Auf die Frage, wodurch der Meniskusriss passiert sei, sagte Fattahi: „Ich weiß es nicht. Gewöhnlich kommt das beim Sport vor.“

Indes erklärte der oberste Teheraner Staatsanwalt, Said Mortazawi, bekannt und berüchtigt als „Zeitungs- und Journalistenkiller“, der Pressewirbel um den angeblichen Hungerstreik sei eine von außen gesteuerte „psychologische Kriegsführung gegen die Islamische Republik“. „Unseren Bürgern sind diese Methoden bekannt, sie werden solchen Lügen keine Aufmerksamkeit schenken“, sagte Mortazawi. Selbstverständlich werde Gandschi nach seiner Behandlung weiterhin im Gefängnis seine Strafe verbüßen.