Trump soll sofort gehen

Führende US-Demokrat*innen fordern, Trump jetzt des Amtes zu entheben. Der Noch-Präsident gibt sich erstmals konziliant, wohl auch aus Angst vor Strafverfolgung wegen seiner Rolle beim Sturm aufs Kapitol am Mittwoch. Mehrere Kabinettsmitglieder treten zurück

Tatort Tribüne: Seine Hetzrede vor dem Sturm auf das Kapitol könnte Donald Trump eine Anklage einbringen Foto: John Minchillo/ap

Von Bernd Pickert

Zwei Tage nach dem Sturm von Anhänger*innen des Noch-US-Präsidenten Donald Trump auf das Parlamentsgebäude in Washington werden die Stimmen immer lauter, die eine sofortige Amtsenthebung Trumps fordern – selbst wenn es bis zur Amtseinführung seines designierten Nachfolgers Joe Biden am 20. Januar noch keine zwei Wochen sind. „Jeder weitere Tag könnte eine Horrorshow sein“, begründete die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ihre Forderung, den 25. Verfassungszusatz anzuwenden, um Trump als amtsunfähig seiner Funktion zu entheben.

Vizepräsident Mike Pence, der zusammen mit einer Mehrheit von Trumps Kabinett ein solches Verfahren einleiten müsste, lehnt jedoch laut Medienberichten ab. Pence war am Mittwoch von Trump massiv angegriffen worden, nachdem er sich geweigert hatte, seine Rolle als Vorsitzender der gemeinsamen Sitzung beider Kongresskammern zu missbrauchen. Trump hatte verlangt, Pence möge von sich aus die Zertifizierung der Wahlleutestimmen für Joe Biden einfach verweigern.

Am Freitag kündigte Pelosi nunmehr an, am kommenden Mittwoch im Repräsentantenhaus ein neues Impeachmentverfahren gegen Trump einzuleiten. Mehr als ein symbolischer Akt dürfte das nicht sein – es ist ausgeschlossen, dass das Verfahren bis zum 20. Januar abgeschlossen sein könnte.

Mehr Sorge bereitet Trump vermutlich die Ankündigung strafrechtlicher Verfolgung aller für den Einbruch in das Parlament verantwortlichen Akteure durch Washingtons Generalstaatsanwalt Michael R. Sherwin. Der hatte in einer Pressekonferenz auf Nachfrage explizit nicht ausgeschlossen, wegen Anstachelung zum Aufstand auch gegen Trump zu ermitteln. „Wir schauen uns alle Akteure an, nicht nur diejenigen, die in das Gebäude eingedrungen sind. Wenn es ausreichende Beweise für das Vorliegen eines Verbrechens gibt, werden sie angeklagt“, sagte er.

Mit Transportministerin Elaine L. Chao und Bildungsministerin Betsy DeVos reichten am Donnerstag gleich zwei Kabinettsmitglieder unter Verweis auf Trumps Rolle beim Aufstand vom Mittwoch ihren Rücktritt ein. Auch prominente republikanische Persönlichkeiten forderten seine Amtsenthebung, und das konservative Wall Street Journal verlangte in einem Editorial seinen sofortigen Rücktritt.

Während Trump daran nicht zu denken scheint – obwohl ihm das die Möglichkeit gäbe, sich noch vom dann für ein paar Tage amtierenden Präsidenten Mike Pence präventiv begnadigen zu lassen –, veröffentlichte er auf seinem wieder freigeschalteten Twitter-Account ein zweieinhalbminütiges Video. In dem abgelesenen Text verurteilt Trump erstmals die Gewalt im Kapitol und distanziert sich davon. Er werde eine friedliche und geordnete Amtsübergabe an die kommende Regierung organisieren, sagt er. Und an seine Anhänger*innen gerichtet: Er verstehe ihre Enttäuschung, aber die unglaubliche Reise, die sie zusammen begonnen hätten, stehe gerade erst am Anfang.

Laut Medienberichten soll Trump seinem Stab mitgeteilt haben, das Weiße Haus am 19. Januar verlassen zu wollen. An Bidens Amtseinführung, schrieb er am Freitag auf Twitter, werde er nicht teilnehmen.