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Einmalig schlecht

Das hochgelobte Team von Bayer Leverkusen versagt in Frankfurt kollektiv. Trainer Peter Bosz verabschiedet sich vom Titelkampf

Aus Frankfurt Frank Hellmann

Einen winzigen Vorteil hat der Geisterspielbetrieb für die Hauptdarsteller mitunter schon. Nach peinlichen Pleiten können sich die Profis umstandslos ohne Gruß in die Kabinen schleichen. Hätten die Spieler von Bayer Leverkusen bei ihrem unterirdisch anmutenden und beinahe unzureichend bestraften Auftritt bei Eintracht Frankfurt (1:2) am Samstag nämlich Anhänger begleitet, wäre es für Lukáš Hrádecký, Jonathan Tah und Co wohl unausweichlich gewesen, in der hintersten Sta­dion­ecke irgendeine Form von Abbitte zu leisten: für die mit Abstand schlechteste Saisonleistung, die Trainer Peter Bosz gar nicht erst schönreden wollte.

„Frankfurt war viel besser, wir waren schlecht. Wir sind das ganze Spiel hinterhergelaufen. Kein Spieler hat das Niveau erreicht“, konstatierte der Niederländer kurz angebunden in der digitalen Pressekonferenz, auf der er wenig Neigung verspürte, vertiefende Nachfragen zu erörtern. Erst später auf dem Mainzer Lerchenberg im ZDF-„Sportstudio“, mit größerem Abstand zum kollektiven Versagen seiner ausgebremsten Hochgeschwindigkeitsfußballer, wurde der 57-Jährige grundsätzlicher. „Eine Topmannschaft verliert nicht zweimal hintereinander“, sagte Bosz und gab das Titelrennen im Grunde nach dem 14. Spieltag auf: „Am Ende wird Bayern doch wieder die beste Mannschaft sein.“ Das klang bereits verdächtig nach einer Kapitulation im Meisterschaftskampf.

Die grundsätzlichen Zweifel, die Leverkusen bei aller Begabung immer dann nachgesagt werden, wenn es um Titel geht, befeuerte die Mannschaft durch eine merkwürdig träge Vorstellung im Frankfurter Stadtwald. Dabei hatte alles nach dem zauberhaften Hackentor von Nadiem Amiri (10.) so gut begonnen, aber im weiteren Spielverlauf sollte es nur noch eine Chance geben: als der Frankfurter Verteidiger Martin Hinteregger den Ball gegen das eigene Lattenkreuz bolzte (82.). Zu diesem Zeitpunkt hatten der bei Ajax Amsterdam unter Bosz tricksende Amin Younes (22.) und ein Eigentor von Edmond Tapsoba (54.) die Partie für die engagierte Eintracht gedreht. Das Aufbäumen der Werkself blieb aus.

„Wir waren gefühlt tot. Kein Leben, kein Tempo“

Leverkusens Profi Nadiem Amiri

„Wir waren gefühlt tot. Kein Leben, kein Tempo. Wir waren nicht da und haben nicht dagegengehalten“, monierte Amiri. Der Nationalspieler führte noch an, man habe „nie gesagt, dass wir deutscher Meister werden“, nun müsse man einfach schauen, „dass wir gegen Bremen drei Punkte holen“. So schnell ändern sich die Ambitionen. Bosz vermisste Siegermentalität – „weshalb, weiß ich nicht“. Das oft für die gute Balance in den 20 vergangenen Pflichtspielen gelobte Bayer-Team bekam keine Abstimmung zwischen Abwehr und Angriff hin, agierte ohne erkennbaren Plan. „Die Feldbesetzung war schlecht“, klagte Bosz. Beide Flügel mit Leon Bailey und Moussa Diaby waren ein Totalausfall, und Mitchell Weiser, der anstelle der an Corona erkrankten Linksverteidiger Wendell und Daley Sinkgraven spielte, erwies sich als Fehlbesetzung.

Der Verdacht liegt nahe, dass die bittere Niederlage gegen den FC Bayern (1:2) kurz vor Weihnachten noch nachgewirkt hat. Derlei Vermutungen bestritt Bosz vehement, weil man ja gegen den Branchenprimus „auf Augenhöhe“ gewesen sei. Aus seiner Sicht hat es sich um einen einmaligen Systemausfall gehandelt. „Das darf nicht passieren, es passiert aber mal – nächste Woche werden wir es besser machen“, versprach Leverkusens Coach, womit das Heimspiel gegen Werder Bremen zum Charaktertest wird. Alles andere als ein Sieg würde unter dem Bayer-Kreuz nur leidige Debatten befeuern. Danach müssen sie erneut gegen Frankfurt im DFB-Pokal antreten – zumindest genießen sie dann das Heimrecht. Eintracht-Trainer Adi Hütter stimmte der überzeugende Auftritt fast schon euphorisch: „Wenn wir so spielen wie heute“, sagte der Österreicher am Samstag bestens gelaunt, „sind wir in der Lage, noch einige Siege einzufahren.“

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