Mehrwertsteuer steigt sicher, Preise vielleicht

In wenigen Tagen endet die Senkung der Mehrwertsteuer. Gebracht hat sie nur wenig

Der 2. Januar 2021 wird ein spannender Tag für den deutschen Einzelhandel. Denn sechs Monate nach der befristeten Mehrwertsteuersenkung müssten am ersten Verkaufstag des neuen Jahres eigentlich die Preise wieder nach oben gehen. Eigentlich. Doch ob das wirklich geschieht und in welchem Umfang, das scheint auch wenige Tage vor dem Stichtag noch ungewiss – vor allem bei Supermärkten und Discountern.

„Der Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel ist brutal. Deshalb wird es für die Händler nicht einfach werden, die Preiserhöhungen weiterzugeben“, meint Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. Besonders den Discountern wie Aldi oder Lidl werde ein solcher Schritt schwerfallen. Denn sie hätten in der Pandemie Marktanteile an die Supermärkte verloren.

Mit seiner Einschätzung steht Fassnacht nicht allein. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, glaubt ebenfalls, angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks seien die Spielräume für Preiserhöhungen „äußerst begrenzt“. Und auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geht nicht davon aus, dass alle Händler auf Preiserhöhungen in erheblichem Umfang setzen werden.

Dass die Mehrwertsteuer ein Thema ist, mit dem sich die Händler gerne profilieren, zeigte sich schon bei der Senkung im vergangenen Sommer. Damals wartete Lidl den Stichtag für die Steuersenkung gar nicht ab, sondern senkte schon mehr als eine Woche vorher die Preise. Erzrivale Aldi konterte und stockte die Mehrwertsteuersenkung zu einem Preisnachlass von 3 Prozent auf das gesamte Sortiment auf. Der zusätzliche Rabatt kostete den Discounter nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag.

Die Bundesregierung hatte im Frühsommer beschlossen, den Mehrwertsteuersatz vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent zu senken. Der ermäßigte Satz, der für viele Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs gilt, wurde von 7 auf 5 Prozent reduziert. Das sollte die Konjunktur anschieben und die Bürger motivieren, teure Anschaffungen trotz Krise ein paar Monate vorzuziehen.

Im Rückblick scheint vielen diese Strategie aber nicht wirklich aufgegangen zu sein. „Ich glaube, unterm Strich muss man sagen, die 20 Milliarden Euro, die sich dies der Bund für ein halbes Jahr hat kosten lassen, da stehen Aufwand und Ertrag nicht in einem guten Verhältnis“, sagte etwa der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. Und auch HDE-Chef Genth urteilte: „Die Mehrwertsteuersenkung hat nur für eine marginale Konsumbelebung gesorgt.“ (dpa)

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