Konrad Schily kämpft um sein Lebenswerk

Die Kritik des Wissenschaftsrats an der Privatuni Witten-Herdecke lässt Gründungspräsident Konrad Schily nicht gelten. „Hier geht es um einen Richtungsstreit“, doziert der FDPler selbstbewusst – und ähnelt dabei sehr seinem Bruder Otto

Das Büro eines Ruheständlers sieht anders aus. Auf dem Schreibtisch liegen Zeitungsausschnitte der letzten Tage, es herrscht Arbeitsatmosphäre. In der zweiten Etage des Forschungs- und Entwicklungszentrums Witten muss das wohl so sein. Es sind arbeitsame Tage für Konrad Schily, den kleinen Bruder des SPD- Bundesinnenministers. Der 67-Jährige will bei der wahrscheinlichen Bundestagswahl ins Parlament – für die FDP.

Aber das Thema ist für Schily erst mal in den Hintergrund gerückt. Denn der Arzt für Neurologie und Psychiatrie ist Gründungspräsident der Privat- Universität Witten-Herdecke. Jener Uni, deren Existenz seit dem vernichtenden Urteil des Wissenschaftsrats über die Mediziner-Ausbildung in Frage gestellt ist. Konrad Schily hat seitdem viel telefoniert. FDP-Innovationsminister Andreas Pinkwart hatte der Einrichtung gleich nach Bekanntgabe des Urteils mit Einstellung der staatlichen Mittel gedroht. Da sei er nicht richtig informiert gewesen, hat Schily den Parteifreund belehrt. „Es wäre doch delikat, wenn der Innovationsminister als erstes die Innovationsuni schließt.“

Der Mediziner spricht mit raumgreifender Gestik, überlegt zwischen den Sätzen eine Weile, zieht an den ständig glimmenden Zigaretten. Die Art zu reden erinnert an den großen Bruder: von sich und seiner Sache überzeugt, mit Hang zum Dozieren. Der Mann strotzt vor Selbstbewusstsein. Als „elder statesman“ hat er sich bei seiner Vorstellung vor dem FDP-Kreisverband Ennepe-Ruhr bezeichnet. So gebärt der „kleine Schily“ sich auch in Sachen Wissenschaftspolitik.

“Hier geht es um einen Richtungsstreit“, belehrt er. Die Kritik des Wissenschaftsrates sei politisch motiviert. In dem Gremium sitzen nur Vertreter staatlicher Universitäten. „Die stört es, dass wir in den Rankings gut sind und dennoch mit der Hälfte der Leute im Vergleich zu ihnen auskommen.“ Während die aktuelle Uni-Führung Defizite bei der Forschung einräumt, bleibt Ex-Rektor Schily eindeutig. „Unsere Uni braucht sich auf keinem Feld zu verstecken.“ Es werde sehr wohl genug geforscht. Nur zwischendurch bricht die selbstbewusste Oberfläche kurz auf. Etwa wenn Schily zugibt: „Die Situation ist gefährlich für die Uni. Kein Spender zahlt auf Dauer in ein schlecht beleumundetes System“. Und auf Spenden ist sein Lebenswerk angewiesen.

Doch schnell geht der Mediziner zum Gegenangriff über: „Die Einhäupels“, angelehnt an den Chef des Wissenschaftsrates, nennt er seine Kritiker. „Die Einhäupels“, das steht bei Schily für Leute, die sich nicht ändern wollen, die Angst haben vor Innovationen, die in ihrer theoretisch geprägten Welt die Praxis vergessen. „Unsere Studenten erfahren nach 14 Tagen die medizinische Wirklichkeit – dann kommen die in die Arztpraxen.“

Das entspricht der Weltsicht des Konrad Schily. Deswegen engagiert er sich bei der FDP. Und beruft sich dabei auf Humboldt: „Wer viel und andauernd geleitet wird, verliert die Kraft zur eigenen Entscheidung.“ Dabei ist Schily kein gehorsamer Westerwelle-Jünger. Vielleicht steht er auch deswegen nur auf Platz 13 der Landesliste für die Bundestagswahl, obwohl zwei FDP-Bezirke ihn auf Platz 1 ihrer Listen vorgeschlagen haben. Schilys FDP ist die FDP der Bürgerrechte und der individuellen Freiheit. „Das Leben muss transparent sein“, sagt er. Und: „Wer viel verdient, muss auch viel Steuern bezahlen.“ Kommt da der sozialdemokratische Bruder durch? Der jedenfalls hat die politischen Ambitionen seines kleinen Bruders locker gesehen: „Dann hat die FDP wenigstens einen Vernünftigen“, soll der Innenminister gesagt haben. SVEN PRANGE