die woche in berlin
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Keine Überraschung: Die Linke stellt Klaus Lederer als Spitzenkandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters auf. Auch keine Überraschung: Ein harter Lockdown wird bald kommen. Und das Berliner Solargesetz ist auf den Weg gebracht: Es verpflichtet zur Installation von Photovoltaikanlagen auf Neubauten

Der alternativlose Kandidat

Nun offiziell: Klaus Lederer wird Spitzenkandidat der Linken

Selten war eine Nominierung so absehbar. Als die Linkspartei am Mittwochmorgen als letzte der vier größten Berliner Parteien Klaus Lederer als Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2021 vorstellte, war das eine reine Formalie. Denn wer sollte es denn sonst werden? Mochte die SPD zittern, ob Franziska Giffey tatsächlich wollte und konnte, mochten die Grünen damit überraschend, keines ihrer bekanntesten Gesichter zu nominieren und die Christdemokraten statt einer immer suggerierten Überraschung doch ihren Landesvorsitzenden Kai Wegner aufstellen – über Alternativen zu Lederer gab es noch nicht mal Mutmaßungen.

Wer sollte es auch sonst machen als der langjährige Landesvorsitzende der Partei, der Kultursenator, der Vizeregierungschef, der auch 2016 schon Spitzenkandidat war? Wer außer ihm, der in seinem Ressort auch mit Christdemokraten so gut zusammenarbeiten kann, dass Bundeskulturministerin Monika Grütters von ihren eigenen CDU-Parteifreunden hörte, sie habe sich von Lederer einwickeln lassen? Wer sonst als der Mann, der in Umfragen über viele Monate beliebtester Politiker Berlins war?

Lederers größtes Plus ist seine Vielfältigkeit – er bietet für fast jeden und jede einen Andockpunkt. Er kann die sozialistische Seele ansprechen, wenn er im Parlament frei aus entsprechenden Klassikern zitiert, aber er kommt ohne die nicht jeden ansprechende Schärfe im Ton aus, mit der etwa Ex-Fraktionschef Udo Wolf lange am Rednerpult stand. Er ist für Mietendeckel und Enteignung, aber anders etwa als bei Parteichefin Katina Schubert oder Stadtentwicklungsexpertin Katalin Gennburg überkommt einen bei ihm nicht das Gefühl, das seien letztlich alles nur Mittel im Klassenkampf.

Als Kultursenator schließlich ist er das bürgerliche Gesicht der Linkspartei schlechthin – ein Operngänger in einer Arbeiterpartei, ein zwischen Konzertsaal und Club pendelnder Verfechter der Hochkultur. Und trotz seiner inzwischen auch schon 46 Jahre strahlt Lederer weiterhin etwas Jugendliches aus. Wer noch mehr Projektionsflächen sucht, findet in ihm zudem den Ossi und den seit 2018 verheirateten schwulen Politiker.

Und dann ist da noch diese viele Jahre alte Szene mit Lederer als jungem Landesvorsitzenden – den Posten übernahm er schon mit 31 Jahren: Der schnippte vor einem Café seine Kippe mangels Müll­eimer nicht gedankenlos auf die Straße, wo sie irgendwann irgendwer für ihn hätte zusammenkehren müssen – nein, er verstaute den Zigarettenrest in einer kleinen Blechschachtel. Spießig? Nein, zu Ende gedacht.

Wer will, kann nun sagen: alles Oberflächlichkeiten, wichtiger wäre dies und das und immer auf den Kapitalismus draufzuhauen. Kann man so sagen – und dabei ignorieren, dass ein Gutteil der Wählerschaft allein nach vermeintlichen Oberflächlichkeiten entscheidet. Die Spitze der Linkspartei ist schlau genug gewesen, dass anders zu sehen: Wer nicht vorwiegend allein auf linksrevolutionäres Klientel bauen, sondern bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl links der Mitte breit punkten will, konnte an Lederer für die Spitzenkandidatur gar nicht vorbeikommen. Stefan Alberti

Wer sollte es auch sonst machen als der langjährige Landes­vorsitzende der Partei, der Kultursenator, der Vizeregierungs­chef, der auch 2016 schon Spitzen­kandidat war?

Stefan Alberti über die nun amtliche Spitzenkandidatur Klaus Lederers für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2021

Ein teuer erkauftes Weihnachtsfest

Ein verschärfter Lockdown ist unumgänglich

Weihnachten findet statt dieses Jahr, aber es sind teuer erkaufte Festtage im (verkleinerten) Familienkreis. Statt der vagen Hoffnung, dass der Lockdown light am 10. Januar noch ein bisschen mehr light werden könnte, gibt es nun die Gewissheit: Es kommt zum harten Lockdown.

Was genau Berlin im Einzelnen für die Zeit sogar schon vor Weihnachten beschließen wird, soll zwar erst am Dienstag im Senat abschließend beraten werden. Aber die Diskussionen in Bund und Ländern in dieser Woche weisen in eine klare Richtung: Im Einzelhandel – bis auf Lebensmittelgeschäfte und Drogerien und womöglich noch ein paar weitere Ausnahmen – dürften bald die Lichter ausgehen. Und eine Woche länger Schulferien gibt es wohl auch – schön für die Kinder, hart für die Eltern gerade jüngerer Kids, trotz in Aussicht gestellter Notbetreuung. Immerhin: Die Kitas sollen geöffnet bleiben.

Damit bleibt die ersehnte Belohnung für die pandemiemüde Seele erst mal aus. Obwohl sich sehr viele Menschen artig an die allermeisten Regeln gehalten haben, geht das neue Jahr so ermüdend weiter, wie das alte endet – und schlimmer noch: Es wird erst mal alles noch ein bisschen ätzender, bevor es besser werden kann.

Das ist hart. Und dennoch gibt es kaum eine Alternative zum verschärften Lockdown. Die Auslastung der Intensivbetten ist in dieser Woche weiter gestiegen auf nun deutlich über den kritischen Wert von 25 Prozent und pendelt sich auf Dauer­rot ein. Bei der Inzidenz treten wir nach wie vor auf viel zu hohem Niveau auf der Stelle. Es geht nicht voran.

Immerhin: Man weiß inzwischen, was zu tun ist. Das einzige, was gegen dieses Virus hilft – solange der Impfstoff noch nicht im Einsatz ist – ist das Reduzieren von Kontakten. Denn man kann es auch so sehen: Weil Theater, Museen und Restaurants nun schon eine ganze Weile zu sind, treten wir wenigstens auf der Stelle (anstatt dass die Situation in den Krankenhäusern schon jetzt verloren wäre).

Eine durchaus relevante Zahl von Menschen würde sich am postweihnachtlichen Rabatt-Wühltisch im Shoppingcenter begegnen oder nach dem Familienfest daheim in vollen Klassenzimmern aufeinanderhocken. Der Preis, den wir bereit wären zu zahlen in dieser Pandemie, er würde immer höher.

Anna Klöpper

das war’s

Stromhunger wächst noch schneller

Solarpflicht für Gebäude: Reichen wird das wohl nicht

Tübingen hat sie schon, Baden-Württemberg und Hamburg bekommen sie, und nun zeichnet sie sich auch in Berlin ab: die Solar- oder Photovoltaikpflicht. Mit seiner Vorlage bei der dienstäglichen Senatssitzung hat die für Energie zuständige Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) den Entwurf für das Solargesetz Berlin auf den Weg gebracht. Wenn es in seiner jetzigen Form vom Abgeordnetenhaus verabschiedet wird, zwingt es BauherrInnen ab dem 1. Januar 2023 dazu, mindestens 30 Prozent der Dachfläche mit Anlagen zur Erzeugung von Solarstrom auszustatten. Dasselbe gilt bei umfassenden Dachsanierungen.

Viele KlimaschutzpolitikerInnen loben das Gesetz, und nicht ohne Grund: Im Gegensatz zu den meisten anderen Maßnahmen, die der in diesem Jahr vom Senat beschlossene Masterplan Solarcity vorsieht, ist die Solarpflicht etwas erfrischend Handfestes – auch wenn ihre Erfüllung am Ende, so sieht es jedenfalls der Entwurf vor, nur stichprobenartig kontrolliert wird.

Das heißt nicht, dass die vielfältigen Projekte des Masterplans nicht auch richtig und wichtig wären. Aber all die schönen Kampagnen, all die Beratungs- und Vernetzungsangebote haben am Ende weitaus weniger Schlagkraft als ein simples ordnungspolitisches Instrument, das einfach festlegt: Sonnenstrom ist zu erzeugen, basta. Oder wie Senatorin Pop es ausdrückt: „Künftig werden Solar­dächer integraler Bestandteil der Architektur von Häusern.“

Das gilt im Übrigen bereits für kommunale Gebäude. Hier ist es das Berliner Energiewendegesetz (EWG), das Senat und Bezirke in die Pflicht nimmt, denn auch hier funktioniert es ja allein mit gutem Willen nicht: Anfang 2019 stellte sich heraus, dass von zehn damals im Bau befindlichen Schulgebäuden kein einziges mit Photovoltaik oder Solarthermie ausgestattet werden sollte. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung begründete das damals damit, dass die Schulen bereits Ökostrom aus dem Netz bezögen und dieser kostengünstiger zu haben sei.

Dass Berlin, wie im Masterplan angestrebt, bis 2050 eine Menge an Solarstrom erzeugt, die 25 Prozent der Nutzung im Land entspricht, das wird aber auch mit der Solarpflicht kaum zu erreichen sein. Bislang ist es weit weniger als 1 Prozent. Und selbst wenn man erwartete, dass über die vor uns liegenden Jahrzehnte ein beträchtlicher Teil der rund 2.400 Hektar solargeeigneter Dachflächen ans Netz ginge, ist da eines noch gar nicht eingepreist: der im Kontext der Energiewende steigende Hunger nach Strom.

Das liegt nicht nur daran, dass unsere immer vernetztere Welt immer mehr elektrische Anwendungen bekommt. Irgendwann soll ja auch Wärme nicht mehr durch Verfeuerung fossiler Brennstoffe erzeugt werden, irgendwann sollen Autos, Busse, Lkws und sogar Flugzeuge mit Strom oder aber mit Kraftstoffen betrieben werden, für deren Herstellung Strom benötigt wird.

Da ist es im Übrigen nicht bloß eine schräge Fußnote, wenn grüne PolitikerInnen fast schon im selben Atemzug sowohl die Energiewende propagieren als auch die Ansiedlung einer Tesla-­Fa­brik feiern, die bekanntlich nichts anderes herstellt als überdimensionierte, stromfressende Mobilitätsmonster.

Claudius Prößer