Reich an Vitamin C!

Sachsens Ministerpräsident Milbradt fordert eine „maßgeschneiderte“ Wahlkampagne für die CDU im Osten. Dort fehlt es seit knapp 16 Jahren am Vertrauen in die C-Partei als politisches Produkt

VON DAVID DENK

Über Nacht sind die Spreewaldgurken aus dem Supermarktregal verschwunden. Alex gerät in Panik. Weil Not bekanntlich erfinderisch macht, sucht er im Müll nach alten Spreewaldgurkengläsern und füllt die Westware darin um, damit seine kranke Mutter bloß nicht merkt, dass die DDR Geschichte ist.

Gerade Alex’ leidenschaftlicher, aber aussichtsloser Kampf gegen den Siegeszug des Kapitalismus hat Wolfgang Beckers Komödie „Good Bye, Lenin!“ bei den Zuschauern so beliebt gemacht und ganz nebenbei entscheidend zur Ostalgiewelle beigetragen, die ostdeutsche Produkte zumindest teilweise zurück in ostdeutsche Supermärkte gebracht hat.

Im Westen haben es Ostprodukte nach wie vor schwer – man denke nur an das Ergebnis der PDS bei den NRW-Landtagswahlen im Mai.

Auch umgekehrt stellt sich dieses Problem – wie die CDU erkannt hat. „Man kann dasselbe Produkt vermarkten in Ost und West“, sagte der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt gestern im Deutschlandfunk, „aber so ähnlich, wie das Markenartikler machen, muss man unterschiedliche Werbekampagnen in Ost und West fahren, weil die Situation eben eine andere ist.“

Politisch und wirtschaftlich mag dies zutreffen, doch auf die Werbestrategien bezogen, beobachtet Sebastian Turner, Partner und Vorstandsvorsitzender der Scholz & Friends AG, eine zunehmende Angleichung: „Die Unterschiede zwischen Ost und West nehmen ab. Interessanterweise haben sich nicht nur die Stilmittel der Westwerbung im Osten durchgesetzt, also Ästhetik und Reduktion, sondern ebenfalls typische Ostmerkmale wie Preisbetonung im Westen verbreitet.“

Den Eindruck eines Wettbewerbsnachteils ostdeutscher Produkte im Westen relativiert er mit der Feststellung, dass „die überwiegende Anzahl der Markteinführungen scheitert“ – auch von Westunternehmen. „Außerdem fehlt Ostprodukten in der Regel die Alleinstellung, der Innovations- und/oder Preisvorsprung.“

Das sehen Raucher der DDR-Zigarettenmarke „Cabinet“ vermutlich anders, die nach der Wende und dem Verkauf an den Reemtsma-Konzern 1989 ihren unparfümierten Zigaretten treu blieben. Bis heute sind Cabinet-Zigaretten nur im Osten erhältlich und dort laut Reemtsma-Sprecher Lars Großkurth „sehr, sehr erfolgreich“. Die Marke sei verwurzelt, auf den speziellen Geschmack der Ostdeutschen abgestimmt und daher sehr authentisch. „Deswegen haben wir auch nie versucht, die Marke Cabinet im Westen zu etablieren.“

Beim Versuch der PDS, bei einer eventuell bevorstehenden Bundestagswahl im Herbst auch im Westen zu punkten, kommt der SED-Nachfolgepartei der Zusammenschluss mit dem westdeutschen Linksbündnis WASG zur „Linkspartei“ zugute, denn in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen kann der Zusatz „PDS“ einfach aus dem Namen verschwinden. „Das können die Landesverbände individuell entscheiden“, sagt Volker Ludwig, Geschäftsführer der Werbeagentur DIG Berlin, die gemeinsam mit ihren Kollegen von Trialon die PDS-Kampagne betreut. Setzte man bei der Landtagswahl in NRW noch auf starke Reize, zum Beispiel mit den Schlagworten „Zu blöd“ oder „Armselig“ in Kombination mit dem PDS-Logo, wird sich die Linkspartei laut Ludwig zahmer präsentieren: „Wir müssen gar nicht so laut sein, weil uns eine viel größere Aufmerksamkeit sicher ist.“ Das liegt natürlich vorrangig an Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Dass Gysis Konterfei im Westen wohl deutlich seltener plakatiert werden wird als im Osten, findet Werber Ludwig ganz normal: „Herr Stoiber wird auf den Unions-Plakaten in Berlin auch keine allzu große Rolle spielen.“ Er wolle ja gar nicht in Abrede stellen, dass es „ideologische und kulturelle Vorbehalte“ gegen die PDS gibt, „viele haben mit den drei Buchstaben ein Problem“, aber gegenseitige Vorbehalte gebe es auch bei Bayern und Berlinern.

Zu Einzelheiten der Kampagne wollte sich Ludwig noch nicht äußern, er kündigte allerdings an, dass die PDS-Werber „nur ganz eingeschränkt personalisieren“ wollen, mal abgesehen von den Zugpferden Lafontaine und Gysi nur in den Wahlkreisen mit aussichtsreichen Direktkandidaten: Sie liegen alle in den neuen Bundesländern.

Der Erfolg der PDS hängt wohl mit dem Gefühl ihrer Wähler zusammen, vom Westen vergessen worden zu sein. Eine Langzeitanalyse von Media Tenor ergab, dass das Interesse der Medien an der Wirtschaftslage in den neuen Bundesländern seit 1996 „beständig zurückgegangen“ ist – „gemessen an der Gesamtzahl der Beiträge, in denen die Wirtschaftslage in Deutschland thematisiert wurde, von 10,9 Prozent im zweiten Halbjahr 1996 auf gerade noch 4,7 Prozent im zweiten Halbjahr 2004“. Um das enttäuschte Vertrauen der Ostwähler zurückzugewinnen, braucht die CDU wirklich bessere Ideen als putzige Werbegeschenke.