TÜRKEI/IRAK: VORSICHTIGER UMGANG MIT MILITÄRISCHEN OPTIONEN
: Viel Säbelrasseln, viel Politik

Droht ein türkischer Einmarsch im Nordirak? Nach dem Interview, das Ministerpräsident Tayyip Erdogan der Tageszeitung Hürriyet gegeben hat, scheint es so, als ob das Militär bereits Gewehr bei Fuß stehe und morgen losschlagen würde. Tatsächlich aber dürfen hier nicht Kulisse und Realität verwechselt werden. Einen Tag vor Erdogan hatte Vize-Generalstabschef Basbug in den Medien die Anti-Terror-Strategie des Militärs erläutert. Basbug wies zwar darauf hin, dass die türkische Armee nach einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates im Irak einmarschieren dürfe, wenn die irakische Regierung ihren Verpflichtungen zur Bekämpfung des Terrorismus nicht nachkommt. Doch er machte auch klar, dass es sich dabei um eine allerletzte, zurzeit eher theoretische Möglichkeit handelt.

Politiker und Militärs drängen aber tatsächlich darauf, dass die irakischen Kurden und die US-Armee der PKK nicht länger erlauben, vom Nordirak aus Ziele in der Türkei anzugreifen. Seit ein Teil der ehemaligen PKK den sechsjährigen Waffenstillstand für beendet erklärt hat, sind nach offiziellen Angaben 105 Soldaten, 37 Zivilisten und eine unbekannte Zahl von PKK-Kämpfern getötet worden. Und mit den Anschlägen auf Touristen in der Westtürkei durch kurdische Terroristen steigt international der Druck, gegen die PKK etwas zu unternehmen. Diese Situation nutzt Erdogan, um Solidarität im „Kampf gegen den Terrorismus“ einzufordern, vor allem in Washington. Glaubt man General Basbug, hat die US-Armee mittlerweile auch den Befehl erhalten, gegen die PKK-Führung im Nordirak vorzugehen. Außerdem ist die irakische Regierung über vielfache Kontakte in eine Aktion gegen die PKK eingebunden.

Die Drohkulisse Ankaras dient jetzt vor allem dazu, Aktionen der US-Armee oder/und irakischer Kurden gegen die PKK im Irak zu begründen. Auf die Dauer ist jedenfalls klar, dass auch die irakischen Kurden nicht dulden können, dass von ihrem Territorium aus grenzüberschreitende Angriffe ausgehen, ganz einfach deshalb, weil sie die Türkei für den Aufbau eines stabilen Nordirak brauchen. JÜRGEN GOTTSCHLICH