„Ein bisschen Unordnung“

KAFFEEHAUS-GESPRÄCH Diskussion über „die gesicherte Stadt“, Kontrolle und urbane Lebensqualität

■ 56, ist Kulturwissenschaftlerin und Soziologin und arbeitet zu städtischer Öffentlichkeit an der Uni Bremen.

taz: Frau Dreyer, ist es besser wenn eine Stadt dreckig und gefährlich ist?

Ursula Dreyer: Sicherlich nicht. Aber wir wollen diskutieren, warum Sicherheit und Ordnung gleich gesetzt und stark mit öffentlichen Räumen verknüpft sind.

Sollten sie das nicht?

Laut Theorie der „Broken Windows“ zieht Unordnung Kriminalität an. Das ist aber empirisch nie richtig belegt worden. Allerdings wurden Präventions-Konzepte entwickelt, um Räume zu säubern – auch von Obdachlosen und „Herumlungerern“.

Also braucht es Unordnung?

Hinter Öffentlichkeit in der Stadt steht die Idee, dass sie freiheitlich und demokratisch ist und man sie anonym nutzen kann. Dazu gehört auch ein bisschen Unordnung, dass Leute gleichberechtigt zusammen kommen und nicht alles mit Kameras überwacht wird.

die Tendenz geht ja in eine andere Richtung.

Es wird alles zurückgenommen, was eine europäische Öffentlichkeit ausmacht. Menschen werden auch architektonisch ausgeschlossen. Abweichendes Verhalten wird ausgeschlossen. Dabei braucht man auch Ambivalenzen, um Öffentlichkeit zu lernen. In „Gated Communities“ funktioniert das nicht mehr.

Die gibt’s in Bremen nicht…

Aber Wohnquartiere: Im Überseequartier wohnen Singles und Paare ohne Kinder. Im Hulsberg-Viertel sollen zwar auch Sozialwohnungen bereit gestellt werden, die Frage ist nur, ob die Leute da hinziehen wollen, wenn sie sich sozial nicht wohlfühlen. Da nutzt die ganze Stadtplanung nichts. Die sozialräumlichen Spaltung nimmt zu.

Sie treffen sich ja nicht weit von der Sielwall-Kreuzung – einem Gefahren-Ort!

So wird es immer hingestellt. Da findet jede Menge abweichendes Verhalten statt – ein guter Ort, um Beobachtungen zu machen. Das Leben kann nicht abgesichert werden. Ich brauche keine Anarchie, aber die Idee, dass Kameras alles sicherer machen, ist fragwürdig.  Interview: JPB

19 Uhr, Altes Fundamt, Auf der Kuhlen 1a