Wiederentdecktes Wachstumsprogramm

EU-Kommission will die Lissabon-Ziele wiederbeleben und legt einen Aktionsplan vor. Die rettende Idee fehlt aber noch

BRÜSSEL taz ■ Jeder zweite EU-Bürger erhofft sich von der Union vor allem eines: mehr Jobs. Fast ebenso groß ist die Erwartung, dass Brüssel im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung Erfolge vorweisen kann. Doch die Wiederbelebungsversuche für das Lissabon-Programm, wie die Förderung von Wachstum und Beschäftigung im EU-Jargon heißt, überzeugen kaum. Industriekommissar Günter Verheugen stellte gestern eine Liste von 50 Maßnahmen vor. Gut die Hälfte davon sind alte Hüte, der große Durchbruch bleibt aus.

So muss denn zumindest die Botschaft – ganz im Stil der neuen Brüsseler Öffentlichkeitspolitik – vor allem positiv und aufbauend sein. Und genauso pastoral klingt die Beschwichtigungsformel, die der Mitteilung voransteht: „Die Kernbotschaft der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung steht für Vertrauen und Entschlossenheit: Die Herausforderungen, denen sich Europas Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gegenübersehen, können bewältigt werden.“

Nummer eins in der Kommissionshitliste der neuen Fördermaßnahmen bildet die Verordnung für ein Gemeinschaftspatent. Sie soll dafür sorgen, dass ein Patent für den gesamten Binnenmarkt nach einheitlichen Regeln, billiger und schneller erteilt werden kann. Doch einige Mitgliedsstaaten blockieren, weil sie darauf bestehen, dass der Text jeweils in alle EU-Sprachen übersetzt werden muss. Dadurch aber würden die Kosten enorm steigen, das Verfahren wäre komplizierter als vorher.

Ähnlich steht es mit Nummer fünf, der Dienstleistungsrichtlinie. In einigen Mitgliedsstaaten wie Frankreich und Deutschland ist der Widerstand enorm. Das Parlament ist dabei, den Entwurf mit so vielen Ausnahmeregelungen zu verwässern, dass der erhoffte geringere bürokratische Aufwand für Dienstleister in einem anderen Mitgliedsland wieder aufgehoben wird.

Die Liste ließe sich fortsetzen. So klingt es nach Zweckoptimismus, wenn Günter Verheugen glaubt, „dass der von der neuen Kommission bevorzugte partnerschaftliche Stil in der Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten hervorragend funktioniert“. Muss er doch einräumen, dass die Regierungen den EU-Haushalt genau in den Bereichen kürzen wollen, die die Kommission zu Schlüsseln für mehr Wachstum und Beschäftigung erklärt: Forschung, Entwicklung und Strukturförderung.

„Wenn wir in Europa die Basis für Forschung nicht verbreitern, werden wir das Nachsehen auch bei der Entwicklung und der Produktion haben.“ Verheugen erinnerte daran, dass sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet haben, bis 2010 3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben – bislang sind es knapp 2 Prozent. Die Wirtschaft soll zwei Drittel, die öffentlichen Haushalte müssen den Rest aufbringen.

Nur 5 Milliarden Euro Forschungsförderung im Jahr kommen bislang aus dem EU-Haushalt. Selbst wenn, wie die Prodi-Kommission fordert, diese Summe für das nächste Forschungsrahmenprogramm verdoppelt würde, wäre das nur 1 Promille des EU-Bruttoinlandsproduktes. DANIELA WEINGÄRTNER