LESERINNENBRIEFE
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53 Jahre den Tätern Rente gezahlt

■ betr.: „Die verlorene Ehre der Familie B.“, taz vom 24. 7. 12

Es ist nicht zu verstehen, was den Behörden einfällt, einen Menschen Jahrzehnte später posthum abzusprechen, dass sein Leiden „verfolgungsbedingt“ sei. Bei Naziverbrechern hat der Staat 53 Jahre lang keine Skrupel gehabt, den Tätern Rente zu zahlen, bei den Opfern wird ausgesprochen kleinlich vorgegangen. Wenn die Regelung für Hinterbliebene von NS-Geschädigten so kompliziert ist, hätte dieses schon lange vernünftig geregelt werden können (müssen). Der Eindruck muss entstehen, dass bei den Tätern andere Maßstäbe angelegt werden als bei den Opfern und besonders, wenn es Sinti oder Roma sind. Ich erwarte, dass meine Parteigenossin Hannelore Kraft, sich für die Witwe und außerdem dafür einsetzt, dass Regelungen für die Hinterbliebenen entkompliziert werden.

GÜNTER LÜBCKE, Hamburg

Es ist beschämend

■ betr.: „Keine Rente für Witwe von KZ-Häftling“, taz vom 24. 7. 12

So sieht also die Rechtsordnung in Deutschland aus. 1985 wurde bekannt, dass die monatliche Pension der Witwe des Präsidenten des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, um 400 DM erhöht worden war. Die Begründung des Versorgungsamts lautete, dass der verstorbene Roland Freisler aufgrund seiner fachlichen Qualifikation im Erlebensfall nach dem Krieg vermutlich als Rechtsanwalt oder Beamter des höheren Dienstes tätig geworden wäre. Aber der Witwe eines KZ-Häftlings wird die Hinterbliebenenrente verweigert. Es ist beschämend! HEINZ KORNEMANN, Wolfsburg

Erschreckender Zynismus

■ betr.: „Keine Rente für Witwe von KZ-Häftling“, taz vom 24. 7. 12

Es ist die Allgegenwärtigkeit der deutschen Vergangenheit. Ihre teils unrühmliche Aufarbeitung und der erschreckende Zynismus, mit dem Opfer und Hinterbliebene an der Mauer deutscher Bürokratie abprallen. Was in Sonntagsreden gern als Aufarbeitung postuliert wird, verkommt im bürokratischen und auch im juristischen Alltag zur Farce. UWE ROOS, taz.de

Unsägliche Tendenzen

■ betr.: „Keine Rente für Witwe von KZ-Häftling“, taz vom 24. 7. 12

In fast allen Behörden, Gerichten, Geheimdiensten oder besser in allen öffentlichen Institutionen; eigentlich als Dienste an seinen Bürgern gedacht, sind solche unsäglichen Tendenzen festzustellen. Die Haltung dieser „Dienstleister“ wird immer offensichtlicher zur Beherrschung der Bevölkerung genutzt bzw. missbraucht. Mikrofaschismus … Tendenz leider steigend! SPIRITOFBEE, taz.de

Ein besseres System schaffen

■ betr.: „Reiche unter Druck“ u. a., taz vom 23. 7. 12

Wofür sollen Vermögende Steuern bezahlen? Immobilien, Vermögen, Einkommensteuer etc.? Wenn 0,001 Prozent der Bevölkerung 30 Prozent des Finanzvermögens kontrolliert, hat das doch eindeutig mit einem fehlerhaften Geldsystem zu tun.

Es ist nachvollziehbar, wenn sich die Menschen Gedanken darüber machen, wie man den Reichen Einkommen wegnehmen kann, um es den Armen zukommen zu lassen. Das ist aber so lange sinnlos, solange man den Armen täglich erhebliche Teile des Einkommens wegnimmt. Es ist bekannt, dass ca. 30 bis 40 Prozent aller Ausgaben aus Zinsen bestehen, die automatisch in die Kassen derer gespült werden, die sich gar nicht gegen diese Umverteilung wehren können. Daher muss das System verändert werden und nicht die Steuerpolitik. Unbezahlbare Schulden und riesige Geldvermögen werden am Ende stehen bleiben. Dies hat es in der Geschichte schon einige Male gegeben, und jedes Mal war das Leid grauenvoll. Wir werden damit anfangen müssen, ein besseres System zu schaffen. Lösungen, die für alle besser sind, gibt es dazu. HUBERTUS STORR, Rosenheim

Ratingagenturen ignorieren

■ betr.: „Endlich: Deutschland geht baden“ u. a., taz vom 25. 7. 12

Da hat sich also wieder einmal die Ratingagentur Moody’s mit einer ihrer Wahrsagungen zu Wort gemeldet: „Übernimmt sich Deutschland?“, kommentierten die Medien mehr oder weniger ausführlich das fragwürdige Verhalten jener amerikanischen Agentur, die sich herausnimmt, die wirtschaftliche und finanzielle Situation von Staaten zu beurteilen.

Vor noch etwa zehn Jahren war der Begriff „Ratingagentur“ so gut wie unbekannt. Doch seitdem es eine weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise gibt – die für mich eine Systemkrise der wirtschaftlichen Globalisierung ist –, erlauben betuchte Herren in Amerika, sich als „Wahrsager“ aufzuspielen, was vermutlich ihre eigenen Reichtümer ins Unermessliche wachsen lässt. Und überall in den Medien und Finanzmärkten werden die fragwürdigen Urteile jener Ratingagenturen wie Hiobsbotschaften gehandelt, wodurch diese dann erst recht unverdiente Beachtung erlangen. Wäre es nicht viel besser – und vor allem viel klüger –, die Verlautbarungen der Ratingagenturen mit Missachtung zu strafen? Schon wäre ihre bunt schillernde Aura dahin. Und ihre Aussagen wären das, was sie eigentlich sein sollten: eine Meinungsäußerung unter vielen anderen!

DIETER LEHMANN, Falkenberg