meinungsstark
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Schlechter Treppenwitz

„Die großen sieben bis zwölf Minuten der Frauen“, taz vom 26. 11. 20

Jetzt mal abgesehen davon, dass es ohnehin ein schlechter Treppenwitz ist, einen Wettbewerb für Frauen auszurichten, die sich, weil man ja „offen und neugierig“ ist, für etwas qualifizieren müssen, wofür Männer schlicht und ergreifend genommen werden, auch ohne dass man manchmal näher hinguckt. Das Problem liegt noch an anderer Stelle. Ich arbeite seit dreißig Jahren als freie Sprecherin für Rundfunk und Fernsehen, und tummle mich in einer eindeutig männlich dominierten Domäne, nämlich im Bereich Doku. Oft werde ich mit Bemerkungen konfrontiert wie „Der Kunde möchte es aber bitte sachlich!“ oder „Da sind wir jetzt aber wirklich angetan, wie klasse Sie das machen“????… Kleine Randbemerkung: Es sind nicht selten FRAUEN, die so denken, und das ganz ohne böse Absichten. Vor gar nicht langer Zeit hat mich eine Film GmbH, in der vorwiegend Frauen arbeiten, als Sprecherin entdeckt. Bis dato hatten sie den Kommentar immer mit einem männlichen Kollegen besetzt. Die überraschte Reaktion der Redakteurin, die gleichzeitig Regie geführt hat, nach der Aufnahme. „Mensch, toll. Wir machen das jetzt öfter mit Ihnen!“ Und dann sind wir darüber ins Gespräch gekommen, welche Ladehemmung sogar unser eigenes Geschlecht in dieser Frage immer noch hat. Und auch das sei erwähnt: Männer in den Studios versuchen häufiger, Frauen als Sprecherinnen mit ins Spiel zu bringen … und werden dann von ihresgleichen, in diesem Falle dem Kunden, eines Besseren belehrt „Ne, wir möchten, dass das ein Mann macht!“ Also aufgepasst! Die Schere hat zwei Arme und geht genau mittendurch! ­Hildegard Meier, Köln

Diskriminierung und Gewalt

„Impfen heißt, darüber zu sprechen“, taz vom 25. 11. 20

Mantramäßig wiederholt sich regelmäßig zum 25. November das Gleiche: Meist weibliche Jounalist*innen/Reporter*innen bekommen Platz in Medien und dürfen Anklage gegen das Patriarchat erheben. Gegen Gesellschaften, die weltweit „systemimmanent“ sind und in jedem Land (mal mehr, mal weniger) alle Bereiche des Lebens durchziehen. In privaten Beziehungen bis zur Erwerbsarbeit, in den Kreißsälen, der Medizin, der Wirtschaft, an den Universitäten, den Bildungseinrichtungen, im Sport, in kirchlichen und sozialen Einrichtungen, im Recht, insbesondere Strafrecht (um nur einige zu nennen), werden Frauen* diskriminiert, benachteiligt und durch unterschiedlichste Formen der Gewalt „diszipliniert“. Die UNO ruft mit Resolutionen zur Umkehr auf, die WHO benennt die Gewalt gegen Frauen als „Gesundheitsrisiko“ Nr 1. Und das politische und wirtschaftliche System lässt sich bitten, ignoriert den eigenen oft parteiübergreifenden Konsens, der regelmäßig als „Erfolg“ verkündet wird, und … alles bleibt beim Alten. Das System muss geändert werden. Solange die Täter kein Unrechtsbewusstsein, kaum Strafe zu befürchten haben, in Bildungseinrichtungen über Lerninhalte und Stellenbesetzungen bestimmen, solange Prävention kein Thema ist, immer wieder der Ausbau des Hilfesystems für von Gewalt betroffenen Frauen routinemäßig gefordert wird, deren Finanzierung auf gutem Willen, aber nicht aus Einsicht in die Notwendigkeit erfolgt, so lange ist der 25. November inzwischen Teil dieses patriarchalen Systems. Karin Schüler, Bonn