IM BENDLERBLOCK
: Essen ohne Soldaten

Ich machte Witze über Gulaschkanonen und Berliner Weiße

„Stehst du auf Uniformen?“, hatte Philipp mich gefragt. „Nee“, hatte ich gesagt, „ich muss davon immer so ein bisschen kotzen.“ Weil ich ihn zum Mittagessen ins taz-Café eingeladen hatte, wollte er mich im Gegenzug in die Kantine seiner Wahl einladen – ins Verteidigungsministerium. Er geht da oft essen, weil das in der Nähe der Stabi ist, wo er zum Schreiben hingeht. Ich sagte aus Freundschaft zu und machte ein paar Witze über Gulaschkanonen und Berliner Weiße mit Schuss. Um meine Unruhe zu überspielen. Ich war vorher erst einmal im Bendlerblock gewesen, da war ich in der zehnten Klasse oder so, und es gab einen Wandertag zur Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Da jetzt essen zu gehen, fand ich irgendwie komisch. Ich bin Pazifistin, aber so richtig. Ich muss sogar weinen, wenn ich sehe, wie eine Fliege in einem Fliegenfänger hängen bleibt. Ein klebriger Tod muss schrecklich sein.

Ich schloss mein Fahrrad vorne an einem Zaun an, drei Soldaten liefen vorbei. Ich starrte ihnen hinterher. Ich muss Soldaten immer anstarren. Philipp kam, und wir fuhren mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock. Er sagte, ich hätte Farbe bekommen, und ich sagte, ja, Sonnenbrand. Ich fand es aber unangemessen, jetzt darüber rumzuheulen. Wo Krieg und Zerstörung und Tod in der Luft hängen, da redet man nicht über den Sonnenbrand, den man sich auf einem Festival geholt hat. Am Eingang zur Kantine gab es eine Garderobe, daran hingen Soldatenmützen in verschiedenen Farben. Es sah aus wie im Kindergarten. Philipp sagte gleich: „Nein, du setzt dir jetzt keine davon auf!“ Das Essen war normales Kantinenessen. Drei oder vier Gerichte, sogar was Vegetarisches. Beim Essen saßen dann aber fast nur Leute ohne Uniform um uns herum. Langweilig. Ich summte „Sag, wo die Soldaten sind“, und Philipp sagte, die essen alle immer sehr früh, schon um zwölf oder so.

MARGARETE STOKOWSKI