Falscher Anwalt entgeht dem Knast

200 Stunden gemeinnützige Arbeit muss Roger G. ableisten, weil er sich nach seiner Pleite noch als Anwalt ausgab

Bremen taz ■ Roger G. nestelt an seiner Brille. Immer wieder setzt er sie auf und wieder ab, um gleich im nächsten Moment am Bügel zu kauen und auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. Dabei ist dem grau melierten 52-Jährigen im grünen Anzug der Platz auf der Anklagebank wohl vertraut. Bis vor zwei Jahren saß er hier – als Rechtsanwalt.

Gestern wurde G. wegen Untreue und Missbrauch von Berufsbezeichnungen zu 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit sowie einer Geldbuße von 800 Euro auf Bewährung verurteilt. G. trat im Dezember 2003 vor Gericht als Anwalt auf – obwohl er kurz zuvor Insolvenz anmelden und deshalb seine Zulassung zurückgeben musste.

„Es war ein Freundschaftsdienst“, beteuerte er gestern vor dem Bremer Amtsgericht. G. war seinerzeit mit der Frau des Angeklagten liiert und schon seit Jahren für das Paar anwaltlich tätig. Geld für seinen kurzen Auftritt in der schwarzen Robe habe er keines bekommen. „Ich wollte nur das alte Mandat abwickeln.“

Doch dazu kam es nicht mehr. Der Schwindel flog vor Gericht auf, im Saal 117, um neun Uhr und sieben Minuten, wie Amtsrichter Günter Teuchert vorträgt. Der Abstieg des einst erfolgreichen Rechtsanwalts mit eigenem Haus in Oberneuland begann mit nicht bezahlten Rechnungen seiner Mandanten aus der Baubranche. Rund 100.000 Euro fehlten, hinzu kamen Steuernachzahlungen, private Probleme. „Wie das eben manchmal so läuft“, sagt G. und zuckt mit den Schultern. Heute wohnt er bei seiner Freundin – in Habenhausen, mietfrei.

Schon im Jahr 2001 kam der Jurist mit dem Gesetz in Konflikt. Damals verlangte er von zwei seiner Mandanten einen Gerichtskosten- und Gebührenvorschuss von insgesamt 3.700 Mark. Doch das Geld kam weder bei Gericht noch in der Kanzlei an, auch die vereinbarte Anklage vor dem Verdener Landgericht wurde nie erhoben. „Ich war finanziell völlig platt“, entschuldigte sich der Angeklagte. Und so konnte G. auch die Geldstrafe nicht bezahlen, die das Bremer Amtsgericht ihm 2004 in dieser Sache auferlegt hatte. G. blieb die Strafe schuldig, und der Fall landete gestern erneut vor Gericht.

Angesichts dieser finanziellen Schwierigkeiten des Angeklagten mochte auch Staatsanwalt Martin Binnz nicht auf eine Geldstrafe plädieren und forderte statt dessen 300 Stunden gemeinnützige Arbeit für den Angeklagten ein. G. wiederum gab sich gestern schuldbewusst. Auf ein Plädoyer in eigener Sache verzichtete er. Jan Zier