Geplatzter Testballon

Seit Mai wird das Kulturmagazin „Aspekte“ (22.15 Uhr, ZDF) ständig verschoben – mit herbem Quotenverlust

Wenn die eigene Sendung verschoben wird, muss das wehtun. Wenn die eigene Sendung verschoben wird wegen „Eine große Nachtmusik“ mit Götz Alsmann, dann wegen der Improvisationscomedy „Blind Date“, anschließend wegen Johannes B. Kerner und „Unsere Besten – Die größten Erfindungen“ und dann noch wegen „Gottschalk and Friends“, dann muss das richtig wehtun. Doch Wolfgang Herles gibt sich eher kämpferisch als betroffen. „Der Stellenwert eines Kulturmagazins ist für die Programmdirektion offenbar relativ“, sagt er. Seit Mai ist seine Sendung, das Kulturmagazin „Aspekte“, vom ZDF zehnmal verschoben worden und startete deutlich später als regulär um 22.15 Uhr. Die Folge: Statt der durchschnittlichen 1,3 Millionen Zuschauer schalteten nur knapp 600.000 ein.

„Nicht die Verschiebung hat ‚Aspekte‘ geschadet, sondern die Umprogrammierung der ARD am Freitagabend“, sagt ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut. Seit dem 1. März diesen Jahres sendet die ARD freitags im Anschluss an die „Tagesschau“ erst eine Schmonzette ihrer Filmhandelsfirma Degeto, dann eine „Tatort“-Wiederholung. Eine ideenarme, aber quotenreiche Umstrukturierung. Beim ZDF beobachtete man dies zwei Monate lang, dann mussten Gottschalk und Co. ran. „Es konnte so nicht weitergehen“, kommentiert Bellut die Lage vom Frühling. ZDF-intern gilt der Programmdirektor als quotenfixiert. Anstatt dem seichten ARD-Freitagabend ein anspruchsvolles Programm mit „Aspekte“ zur Hauptsendezeit entgegenzusetzen, gibt er Banalem den Vorzug.

Damit ist zwar den August über erst mal Schluss, heute und in den kommenden Wochen sendet „Aspekte“ wieder zu seiner angestammten Zeit. Doch schon im September startet Bellut die nächste „Testphase“. Zunächst kommt Johannes B. Kerner mit seinen Fernsehköchen zurück und verbrät einen Monat lang Sendezeit – diesmal aber schon direkt nach dem „heute-journal“. Im Oktober übernimmt dann die „Soko Köln“. Anschließend soll dann die Bilanz der Testphase gezogen werden – und „Aspekte“ womöglich endgültig auf 23 Uhr verschoben werden.

Dass damit nach den Kulturmagazinen der ARD „Aspekte“ als letztes aus der Primetime und somit aus dem Fokus der Zuschauer verschwindet, findet Programmdirektor Bellut nicht bedenklich: „Ich bin zuversichtlich, dass sich ‚Aspekte‘ mit einem Sendestart um 23 Uhr und einem starken Vorlaufprogramm sehr gut behaupten kann.“ Die bisherigen Erfahrungen haben zwar das Gegenteil erwiesen, dennoch gilt die zweite „Testphase“ als ergebnisoffen. Immerhin gibt Bellut dem Kulturmagazin eine Bestandsgarantie – und das Versprechen, nie nach Mitternacht ranzumüssen.

HANNAH PILARCZYK