Der Lockruf der Kanzlerin

HAMBURG Nach der Bundestagswahl: Geht CDU-Bürgermeister von Beust nach Berlin? Wer rettet dann Schwarz-Grün? Kehrt SPD-Minister Scholz als Parteichef nach Hamburg zurück? Wer rettet dann die SPD?

Wer nicht mal einen Wahlkreis verteidigen kann, kann kaum die ganze Stadt erobern

Auf zwei Männer kommt es jetzt an in der Hamburger Politik. Die persönlichen Karrieren von Ole von Beust und Olaf Scholz werden die politischen Ereignisse in der Hansestadt für die nächsten Jahre prägen. Nach der Bundestagswahl vom Sonntag stellen sich vor allem zwei Fragen: Geht der CDU-Bürgermeister nach Berlin ins schwarz-gelbe Bundeskabinett? Und kehrt der SPD-Arbeitsminister an die Elbe zurück?

Ole von Beust hat durchblicken lassen, dass er keine rechte Lust habe, Bundesumweltminister zu werden. Verbürgt ist seine Äußerung, er könne sich „nichts Langweiligeres“ vorstellen als einen Ministerposten im Bundeskabinett. Den aber hat Kanzlerin Angela Merkel ihrem Vertrauten, der sich seit fast zwei Jahren als Schöpfungs- und Klimabeauftragter der Bundesunion versucht, in Aussicht gestellt. Würde er jedoch dem Lockruf der Kanzlerin folgen, dürfte das die Hamburger CDU und den schwarz-grünen Senat in Gefahr bringen.

Der Bürgermeister persönlich ist der Garant für eine weitestgehend faire und reibungslose Zusammenarbeit mit den Grünen. Um seine Nachfolge schwelt intern bereits der Machtkampf zwischen Parteichef und Finanzsenator Michael Freytag, der wegen der HSH Nordbank arg angeschlagen ist, und dem quirlig-konturlosen Fraktionsvorsitzenden Frank Schira. Von dem weiß niemand zu sagen, ob er auch nur eine einzige politische Überzeugung hat.

Wer auch immer den Ersten Bürgermeister beerben würde, hätte große Probleme, die Grünen bei der Stange zu halten. Und er hätte Probleme, bei der Bürgerschaftswahl 2012 zu reüssieren. Bei der Wahl 2008 erreichte die CDU mit 42,6 Prozent jeweils runde 14 Prozent mehr als bei den Bundestagswahlen 2005 und 2009: Der Ole-Faktor bei den WählerInnen dürfte mithin zweistellig sein.

Dessen Fehlen würde sich gern die SPD zunutze machen, die seit 2001 auf den Oppositionsbänken sitzen muss. Aber wer soll in dieser zerstrittenen Partei Spitzenkandidat werden? Im vergangenen Jahr verlor Zeit-Chef Michael Naumann gegen Ole von Beust. Und eine erneute Kandidatur des bei der Basis beliebten und den Funktionären geschmähten Ex-Parteichefs Mathias Petersen würde die Hamburger SPD auf eine Zerreißprobe stellen.

Bliebe der Vorsitzende Ingo Egloff übrig. Der allerdings wurde am Sonntag abgewatscht. Im Wahlkreis Hamburg-Wandsbek gewann mit Jürgen Klimke erstmals seit 1949 ein Christdemokrat das Direktmandat, Egloff muss in Hamburg bleiben. Wer aber nicht mal einen Wahlkreis verteidigen kann, dürfte kaum die ganze Stadt erobern können. Als Spitzenkandidat in Hamburg kommt Egloff also nicht mehr in Frage. Folgerichtig verkündete er am gestrigen Abend seinen Rücktritt als Parteivorsitzender. Er trage „die politische Verantwortung für die schlimme Niederlage“. Der Landesvorstand müsse nun schauen, wie es weitergehen soll.

Die Lösung heißt wahrscheinlich Olaf Scholz. Der Noch-Arbeitsminister, der sein Direktmandat im Wahlkreis Altona trotz Verlusten erneut verteidigte, wird sich künftig als einfacher Bundestags-Abgeordneter nicht ausgelastet fühlen. Bereits zwischen 2000 und 2004 war er parallel SPD-Chef in Hamburg, und das könnte er wieder werden. Das wäre zugleich die Vorentscheidung über die Spitzenkandidatur 2012 – vermutlich gegen Ole von Beust. SVEN-MICHAEL VEIT