Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

So kann es kommen im Zeitalter der ewigen Adoleszenz: dass nämlich auch das Mädchen Alice, das der viktorianische Schriftsteller Lewis Caroll einst zum Gegenbild seines Zeitalters und zur Akkumulationsfigur seiner Fantasien machte, von der Verlängerung der Jugend ins tragisch Unendliche nicht unberührt bleibt. In dem neuen Stück von Christian Weise, „Alice under Ground“, hat sie das für viktorianische Verhältnisse fast schon biblische Alter von dreißig Jahren erreicht. Sie lebt in Prenzlauer Berg, und das Kaninchen, mit dem schon bei Caroll die Reise ins Wunderland beginnt, ist hier längst tot und befindet sich gehäutet und eingeschweißt in Alice’ Kühlschrank. Trotzdem bleibt die Begegnung für Alice nicht folgenlos. Aber um Genaueres in Erfahrung zu bringen, muss man der Sache ab morgen im Ballhaus Ost schon selbst auf den Grund gehen. In unseren untragischen Zeiten sind auch die tragischen Untergeher zu Kultfiguren abgestiegen, zum Beispiel Büchners Woyzeck, um nur mal einen der berühmtesten zu nennen. Den armen Soldaten und Underdog, der seine Geliebte umbringt, haben vor fast zehn Jahren Robert Wilson und Tom Waits für das Musiktheater entdeckt, Waits’ Frau Kathleen Brennan schrieb die Songtexte dazu – der Wilson-Waits-Woyzeck, der die Titelfigur mit den Obsessionen des Pop-Age füllte und aus dem finsteren Fragment ein schrilles Panorama machte, wurde 2000 in Kopenhagen uraufgeführt. Nun gibt die dreiunddreißigjährige Jorinde Dröse mit ihrer Variation des Stücks am Deutschen Theater ihren Einstand als Regisseurin. Am Potsdamer Hans Otto Theater stellt sich der neue Intendant Tobias Wellemeyer am Donnerstag mit Henrik Ibsens „Wildente“ vor. Am Freitag weiht dann Annette Pullen mit ihrer Inszenierung von Goethes „Clavigo“ die umgebaute Reithalle des HOT ein.

■ „Alice under Ground“: Ballhaus Ost, ab Mi.

■ „Woyzeck“: DT-Kammerspiele, ab Fr.

■ „Die Wildente“: Hans Otto Theater, ab Do.

■ „Clavigo“: Hans Otto Theater, ab Fr.