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Eine gnadenlose Jagd auf alles und jeden

Welche Turnschuhe sind die besten zur Flucht vor der Polizei? Minsker Tagebuch vom 2. 10. 20

Mein Newsfeed bei Facebook sieht aktuell so aus: Leute wurden festgenommen oder sind verschwunden, wir suchen sie.

Auf dem Flughafen wurde gerade die Basketballspielerin Elena Lewtschenko festgenommen, die für eine geplante Behandlung in ein anderes Land fliegen wollte. Aber man wirft ihr Störung der öffentlichen Ordnung oder Durchführung von Massenveranstaltungen vor. Die Machthaber machen Jagd auf alle, die gegen Lukaschenko sind. Lewtschenko hatte an Demos teilgenommen. Ich vermute, dass es bald heißen wird: Wer nicht im Knast war, ist kein Belarusse.

„Heute gab es im Stadtteil Sucharewo am Minsker Stadtrand eine Razzia“, schreibt eine belarussische Journalistin auf ihrer Website. „Die Menschen wurden auf dem Feld gepackt, sie sind durch den Wald weggerannt, ins Wasser gefallen und haben sich wieder herausgeholfen. Schwarzgekleidete Männer mit Taschenlampen haben sie verfolgt und bedroht: Wir werden schießen! Wissen Sie, was heute im Bezirks-Chat erörtert wurde? In welchen Sportschuhen man am besten fliehen könne. Ob man sich Springerstiefel anschaffen solle. Oder Wachtposten an Kreuzungen aufstellen, damit die Leute rechtzeitig abhauen könnten. Und ja, es lohne sich, Handfunkgeräte anzuschaffen.“

Es scheint, als könnten uns seltsame Nachrichten nicht mehr überraschen. Aber weit gefehlt: Das Informationsministerium deaktiviert ab 1. Oktober für drei Monate den Medienstatus des meistgelesenen Portals, die Seiten von tut.by. Die Journalist:innen arbeiten weiter, aber verlieren ihre Akkreditierung. Man kann sie „legal“ – so der Standpunkt der Machthaber – verhaften, wie auch die Teil­neh­mer:in­nen der Protestaktionen. Seit dem 7. August 2020 hat das Portal tut.by schon vier Verwarnungen bekommen.

„Diese Neuigkeiten machen mich wütend“, sagt Veronika Grisch­kowa, ehemalige Korrespondentin des Staatsfernsehens. „Meinungsfreiheit? Davon haben die Machthaber hier noch nichts gehört. Die Journalist:innen von tut.by haben hohe Maßstäbe an die journalistische Arbeit angelegt. Das, was sie schreiben, ist maximal objektiv. Wenn Journalist:innen schweigen, begehen sie eines der schlimmsten Verbrechen.“

2019 stand Belarus auf Platz 153 der Rangliste der Pressefreiheit. In der neuen Liste sinken wir noch weiter ab. Olga Deksnis

Aus dem Russischen: Gaby Coldewey

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