: Siller fragt:Hannes Rockenbauch
Auch Hannes Rockenbauch von SÖS (Stuttgart ökologisch sozial) möchte Oberbürgermeister von Stuttgart werden. In diesem letzten Gespräch in der Reihe der OB-KandidatInnen-Interviews geht es um kostenlosen ÖPNV, kostenlose Kitas und wo das Geld dafür herkommt.
Interview von Stefan Siller↓
Herr Rockenbauch, in Wikipedia sind Sie Architekt, Stadtplaner, Politiker und Aktivist. Ist das eine neue Berufsbezeichnung?
Nein, ich finde, das sollte eine neue Politikerbezeichnung sein. Politik krankt oft daran, dass PolitikerInnen, nachdem sie gewählt sind, verschwinden, und dann war’s das. Das ist zu wenig in den heutigen Zeiten. Es gibt Konflikte beim Wohnen, beim Verkehr, bei S 21, beim Klima. Wenn wir gegen die AfD demonstrieren, bin ich dabei. Wenn es eine Hausbesetzung in Stuttgart gibt, frage ich nach: Leute, wo sind eure Probleme? Die Stärke von Politik ist politischer Diskurs. Das geht, wenn man im-Rathaus und auf-der-Straße verbindet.
Sind Sie mit der letzten Umfrage zufrieden?
Ja. Alles ist möglich. Damit ist auch ein echt konsequenter ökologischer und sozialer OB, sprich ich, möglich.
Was machen Sie, wenn Sie Dritter oder Vierter sind nach dem ersten Wahlgang?
Das muss man sich angucken. Es könnte zum Beispiel politische Schnittmengen zwischen einem Dritten, Vierten und Fünften geben, die größer sind als mit den ersten beiden. Wenn die Drei sich einigen würden, die ins Rennen gehen würde …
Sie wollen mit Schreier und Körner zusammen Kienzle und Nopper ausstechen?
Nö, ich erwarte, dass ich vor Kienzle liege, das ist ja völlig klar. Dann könnten wir uns doch beide überlegen: Wir wollen auf jeden Fall nicht den Nopper, aber Körner auch nicht. Die konsequente ökologische Wahl bin natürlich dann ich, und dann wäre es konsequent, wenn die Grünen sagen: Okay, sie trauen sich das mit dem Klimaschutz und der Klimagerechtigkeit bis 2030 nicht zu – gestern im Gemeinderat Klimanotstand abgelehnt –, Rockenbauch traut sich’s zu. Dann mach doch den echten richtigen Grünen, sprich mich, zum OB. Wäre doch auch ’ne Möglichkeit.
Die größten Schnittmengen sehen Sie schon mit den Grünen?
Ja, das stimmt beim Ökologischen. Beim Sozialen mit der SPD. Deswegen mache ich Stuttgart ökologisch-sozial. In der Wohnungspolitik müssten wir die Grünen echt quälen. Sie sind zu zögerlich und zu langsam. Dem Wohnungsmarkt muss man die Wohnungen entziehen, der Boden muss in kommunale Hand. Das ist schwer mit den Grünen. Ich bin Fan der kostenlosen Kita. Da heißt es immer: Aber die Qualität ist doch wichtig. Ich hätte gern beides, es braucht kein Eintrittsgeld, wenn man Bildungseinrichtungen betreibt. Bei der SPD gibt es wenigstens: Ah, machen wir es 50 Euro billiger. Klimagerechtigkeit muss immer Soziales mit beinhalten. Deswegen bleibt den WählerInnen nix anders übrig, als das Komplettpaket zu wählen.
Wenn Sie Kandidaten oder Parteien in die aus Ihrer Sicht richtige Richtung bringen, ist das schon mal ein Erfolg?
Absolut. Beispiel: Ich bin für kostenlosen Nahverkehr. Natürlich haben wir Anträge gestellt und damit Erfolg gehabt, zum Beispiel für ein Sozialticket. Da ist vielen Menschen viel geholfen. Und wenn wir jetzt für SchülerInnen das 365-Euro-Ticket machen, waren wir auch dabei. Grüne und SPD, die das jetzt auf ihren Plakaten haben, haben aber nie zugestimmt. Auf dem Wahlplakat ist das schnell gedruckt, aber im Gemeinderat hatten wir keine Mehrheiten dafür. Bis jetzt zu Corona hatten wir jeweils Rekordhaushalte, wir hätten das locker finanzieren können.
Aber ganz gratis – statt 365 Euro – ist natürlich noch ein ganzes Stück teurer.
Es ist eigentlich das Klügste, denn dann sparen Sie sich das ganze Gerümpel mit Kontrollen und Fahrzonen. Da muss man, wenn man als Tourist kommt, erst mal gucken, wie funktioniert das hier eigentlich. All das spart Geld und dann finanzieren wir das solidarisch. Und solidarisch heißt, auch der Autofahrer.
Wobei der ja sowieso bislang zu gut wegkommt. Denn was er als Autofahrer anrichtet – kaputte Straßen, Umwelt und so weiter – das wird weder durch Steuer noch durch Benzin refinanziert.
Absolut. 140 Milliarden Euro bundesweit sind das, was an Folgekosten durch den Autoverkehr entsteht. Wenn wir nur die Hälfte des Verkehrs auf die Schiene bringen würden, dann wären es nur noch 70 Milliarden, und mit 70 Milliarden können Sie, glaube ich, drei oder vier Mal alle ÖPNV bundesweit kostenlos machen. Wenn ich will, dass die Leute das Vernünftig-Ökologische machen, mache ich doch kein Preisschild dran. Dann muss ich das umsonst anbieten und nicht das Auf-der-Straße-fahren.
Aber trotzdem muss das Geld irgendwo herkommen, es sei denn, Sie haben eine Druckerei im Keller.
Aber das Geld ist immer da, Herr Siller. Grad’ in Stuttgart.
Der Ausbau des ÖPNV kostet ein paar Milliarden …
Das Geld zum Ausbau muss von Bundes- und Landesregierung dringend an die Kommunen gehen, weil die die Hauptakteure in der Transformation von Verkehr und Klima sein werden. Wir haben den Vorschlag gemacht, dass die Kommunen vom Umsatzsteuerkuchen nicht zwei Prozent kriegen, sondern 15 Prozent. Das wären für Stuttgart 500 Millionen Euro.
Also Bund und Land kriegen weniger?
Wollte ich grad sagen. Gebt den Kommunen das Geld, da ist es eigentlich nie fehl am Platz, weil es sofort in ÖPNV, Schulen und Kitas geht, also zu den Menschen. Bei Bund und Land bin ich mir nicht so sicher. Da können die auch Militärausgaben für Trump erhöhen und so was.
Wien wird gerne genommen als leuchtendes Beispiel, was das Wohnen und was den Verkehr angeht.
Ich war an der Uni sieben Jahre in Lehre und Forschung. Wir gehen natürlich mit unseren Studenten genau in solche Städte, weil man es am besten begreift, wenn man es vor Ort sieht und mit den Leuten redet. Und dann fragen alle aus Stuttgart: Und das geht so? Ja, das geht, dass die Mieten bei fünf oder sechs Euro liegen und man damit auch wirtschaften kann, ja.
Die müssen ja auch kein Geld verdienen im Gegensatz zum Investor.
Das stimmt. Deswegen sage ich, Wohnungspolitik ist Angelegenheit der Kommune, die muss damit auch kein Geld verdienen, sondern ordentlich wirtschaften und instandhalten. Nicht so wie die SWSG, die verrotten lässt und dann sagt: Oh, jetzt muss man’s abreißen. Wir haben momentan 1,35 Milliarden Euro in Festgeld. Geld, das wir aus unterschiedlichen Gründen in der Stadt gerade nicht verschaffen können. Das wird jeden Tag weniger. Minuszinsen, Inflation. Da denke ich: Da kann man was in erneuerbare Energie stecken, damit verdient man Geld. Mit Wohnen kann man zumindest wirtschaften, allgemeinwohlorientiert. Man muss den Schalter umlegen und nicht zuerst ans Geld denken. Ich glaube, wir würden viel größere Erfolge haben, wenn wir erst über ökologische und soziale Fragen nachdenken. Dann brummt es, macht Spaß, die Lebensqualität und das mit dem Klima stimmt. Und dann rechnet es sich volkswirtschaftlich auf lange Sicht spätestens in zehn Jahren. Da kommen die Klimafolgekosten, wenn wir jetzt nicht handeln.
Glauben Sie immer noch daran, dass S 21 in dem, was die Planer wollen, verhindert werden kann?
Das ist die falsche Frage.
Wie hätte ich denn fragen sollen?
Glaubt die Bahn AG noch dran? Ich glaube, dass wir eine Denkpause machen müssen, weil wir sehen, dass die Bahn AG täglich Zweifel am eigenen Projekt hat. Jetzt wollen sie noch mehr Tunnel bauen, dann doch wieder nicht, dann wieder die Gäubahn unterirdisch einbinden, der Deutschlandtakt funktioniert nicht. Wenn wir so im Schlammassel drin stecken, sollten wir alles, was an Kämpfen war, vergessen, das Heute angucken und sagen, okay, was sind die Optionen? Was kostet es, was bringt es für den Verkehr, fürs Klima? Ich glaube, wir als Bevölkerung und die Bahn AG würden merken, dass wir dringend etwas anderes machen müssen als das, was planfestgestellt ist und gerade durchgezogen wird.
Wir haben damit angefangen, dass Sie ein Aktivist sind. Sie haben ja zwei Töchter. Geht’s denen ähnlich oder gibt es da einen Generationenkonflikt?
Na ja, die Kleine ist drei und die Große ist acht Jahre alt.
Okay, das ist noch schwierig.
Da sind die noch Papa-Fans und finden das lustig, wenn der Papa in der Stadt rumhängt. Ich muss schon sagen, die Kinder radikalisieren mich auf eine Art und Weise.
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