Fliegen und fliegen lassen

AIRPORT Großflughafen Berlin-Brandenburg? Flugrouten? Chaos? Auf dem Modellflugplatz direkt daneben läuft alles rund

■ Der Termin: Am Dienstag, 31. Juli, verkündet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig seine Beschlüsse in den Verfahren über den Planfeststellungsbeschluss „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld.“ Anwohner und Anrainer-Gemeinden werfen dem Land Brandenburg und dem staatlichen Flughafenbetreiber vor, bei den Flugrouten getäuscht zu haben, um das Projekt nicht zu gefährden. Betroffene seien so um ihr Recht gebracht worden zu klagen.

■ Der Verein: Der (West-)Berliner Verein für Modellflug besteht seit 1952. Nach der Wende bezog er einen ehemaligen Agrarflugplatz bei Ragow in der Nähe des (Ost-)Flughafens Schönefeld.

Mehr Informationen unter www.bvm-ragow.de

AUS RAGOW MARTIN REICHERT

Für den Brandschutz ist hier auf diesem Flughafen bestens gesorgt: „Wir haben zwei funktionierende Feuerlöscher“, erklärt Klaus Daleit, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Vereins für Modellflug, waschechter Berliner und „entspannter Rentner“.

Die Start- und Landebahn dieses Airports besteht aus einer stets frisch gemähten Wiese, ganz in der Nähe des derzeit überlasteten Flughafens Schönefeld und auch des noch fertigzustellenden Großflughafens „Willy Brandt“, kurz BER. Die Wiese ist 20.000 Quadratmeter groß und Teil eines früher von der russischen Armee genutzten Agrarflughafens, den der Westberliner Verein nach der Wende gepachtet hat. Gelegen ist sie bei Ragow, einem kleinen märkischen Dorf im Landkreis Dahme-Spreewald. Auf dem Weg dorthin sind die zahlreichen Plakate der Flugroutengegner nicht zu übersehen.

Kapitäne ohne Cockpit

Nächste Woche entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klage von Anwohnern und Anrainer-Gemeinden wegen der neuen BER-Flugrouten. „Große Diskussionen gibt es darüber bei uns nicht im Verein, aber wir sind betroffen. Wenn BER öffnet, müssen wir mit Einschränkungen rechnen – kommt der Wind von Nordost, dürfen wir höchstens hundert Meter hoch fliegen, oder gar nicht“, sagt Daleit.

Er selbst wohnt in Rudow, ganz in der Nähe des Flughafens Schönefeld – „wenn da früher die russischen Iljuschins über unser Haus gedonnert sind, was meinen Sie, was das für ein Krach war. Und die haben vielleicht einen schwarzen Rauch rausgehauen, jeden Morgen hatten wir frischen Ruß auf den Fensterbrettern. Das ist doch heute geradezu eine Erholung, wenn die landen.“ Die Maschinen, die in Ragow starten und landen, sind vergleichsweise winzig. Kunstflugmaschinen, Segler, Helikopter, Sportmaschinen aus Styropor, versehen mit kleinen, benzingetriebenen Motörchen. Die Kapitäne sitzen nicht im Cockpit, sondern steuern die Flugzeuge über eine Fernbedienung vom Boden aus – eines schwebt gerade vorbei, auf dem Rücken. Dann plötzlich steigt es in die Höhe, bleibt in der Luft stehen. Der „Harrier“-Effekt erklärt Klaus Daleit, benannt nach den legendären britischen Senkrechtstartern.

Und die kleinen Dinger sind eine Gefahr für den Flugverkehr? Für große Passagierflugzeuge? „Wenn sogar Vögel gefährlich sind für einen Jet, dann stellen sie sich mal vor, was passiert, wenn so ein Modellflugzeug in ein Triebwerk gerät“, sagt Daleit. Die Modellflieger sind selbst dafür verantwortlich, auf die Sicherheit zu achten, die kleinen Flugzeuge haben eingebaute Höhenmesser, die Daten sind auf den Fernbedienungen ihrer Piloten ablesbar. Nur wenn die „Beaver“ aufsteigt, der 1:2,3-Nachbau eines amerikanischen Flugzeugs, muss der Tower in Schönefeld informiert werden: Die „Beaver“ ist aus Metall, hat einen richtigen Sternmotor und erscheint auf dem Radar.

Die Aufregung über den verzögerten Start des Großflughafens BER kann Daleit nicht nachvollziehen: „Ich habe lange in München gelebt – der Bau des Flughafens FJS hat 25 Jahre gedauert, ich meine: Da haben wir ja noch viel Luft, oder?“

Fliegen und fliegen lassen, das ist das Motto des stellvertretenden Vereinsvorsitzenden, „am meisten schreien doch hier jetzt genau die Leute, die ihren Acker für Millionen an die Flughafengesellschaft verkauft haben, die sollen mal lieber ihre Klappe halten.“

Absturz im Todesstreifen

Im Vereinshaus zeigt er Bilder vom traditionellen Himmelfahrts-Fliegen, von Meisterschaften, vom Grillen in gemütlicher Runde. 120 Mitglieder hat der Verein, Männer und Frauen, aber Letztere fliegen nicht, es ist ein Jungssport. Die meisten Mitglieder stammen aus dem Berliner Westen, nur ein Fünftel aus dem brandenburgischen Umland. Daleit erinnert sich an die Zeit vor der Wende: „Wir flogen an der Stadtgrenze Rudows auf den Feldern – laut Alliierten-Abkommen durften wir damals nicht höher als 100 Meter fliegen. Aber es kam immer mal wieder vor, dass wir in den DDR-Luftraum eindrangen. War aber gar nicht schlimm: Die Grenzer haben abgestürzte Flieger zum Teil aus dem Todesstreifen geborgen, die wurden dann am Grenzübergang Waltersdorfer Chaussee an uns übergeben. Die waren nett zu uns.“

Damals waren die Modellflieger aus Rudow die einzigen BRD-Bürger, die zum „Steuerknüppel“ greifen durften, der Luftraum oblag der Hoheit der Alliierten. Bis auf eine Ausnahme: „Der Franz Josef Strauß, den hat das ja nicht gejuckt. Der ist mit seiner Privatmaschine einfach nach Leipzig zur Messe geflogen und auch nach Berlin.“

Wie es in Zukunft weitergeht mit dem Flughafen Ragow, ist ungewiss. Der Verein zögert, das Gelände zu kaufen, der BER-Flugrouten und möglicher Einschränkungen wegen. „Vielleicht müssen wir uns ein anderes Gelände suchen“, sagt Klaus Daleit, auch in dieser Frage ganz entspannter Rentner.

Und was ist mit Nachtflugverboten? „Davon sind wir insofern nicht betroffen, als es ganz schön doof ist, wenn man das eigene Flugzeug nicht sieht.“