berliner szenen
: Wie eine Ballerina durchs Café

Manchmal gehören Mitarbeiter*innen zum Inventar. Jedenfalls machen Menschen Orte. Das denke ich, als ich in einem Café im Wedding sitze, auf dessen Boden Fliesen liegen, über die eine Frau wie eine Tänzerin hinweggleitet, während sie nacheinander ihre Gäste bedient.

Mein Blick hängt an ihrem langen schwarzen Faltenrock, der mitschwingt bei jedem Schritt, den sie geht. Ihr Haar hat sie ordentlich zu einem Dutt zusammengebunden. Alles wirkt organisch, jede Bewegung mit den Armen, jede kleine Drehung, jeder Schritt. Und dennoch hat all das auch etwas Eingeübtes an sich, denke ich, ganz so, als sei die Choreografie ihres Gangs längst in ihr Blut übergegangen, gehörte sie schon zu ihrer Person.

Sie lässt sich nicht mal aus dem Rhythmus bringen, als an einem der kleinen Tische ein Glas Orangensaft umkippt und der Saft von der Tischkante tropft, sich eine kleine Pfütze auf dem Boden bildet.

Im Gegenteil. Sehr elegant wischt sie nun den Saft auf, als würde sie auch diese Bewegungen einfach eingliedern in ihre Choreografie, fast schon, als sei auch diese Bewegung bereits eingespielt, das Umfallen des Glases geplant. Dem Mann, dem das Glas umgekippt ist, scheint sein Fauxpas hingegen eher peinlich. Er springt auf, reagiert hektisch auf das Missgeschick. Doch die Mitarbeiterin des Cafés bewegt sich wie eine Balletttänzerin, als sie die gelbe Flüssigkeit schwungvoll mit einem Lappen vom Boden aufwischt.

Hinter Glas stehen am Tresen üppige Sahnetorten, welche die Café-Mitarbeiterin jetzt anschneidet, vorsichtig und elegant. Ich stelle mir vor, dass auf den Torten kleine Plastik- oder Zuckerballerinen stehen könnten. Die, denke ich, hätten gepasst. Wie lange sie wohl schon in dem Café arbeitet und ihre Choreografien geübt hat? Lea De Gregorio