HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER
: Tor zur Welt

Sie sind sowieso schon so groß, diese Becher, und dagegen wirken die Frauen, die aus ihnen trinken, noch viel kleiner

Die fünfzehn Euro, die sich in mein Portemonnaie schmiegen, werden nicht weit reichen. Dreimal Kaffee, das wird knapp. An den Holztischen auf der Piazza sitzen Internationale und trinken Milchkaffee aus überdimensionierten Bechern. Sie sind sowieso schon so groß, die Becher, leuchtende Logos auf dickem Porzellan. Und wenn ein Punk einem Neonazi auf dem Kiez mit diesem Symbol amerikanischen Savoir-faires über die Rübe hauen würde, würde der Neonazi sich wundern.

Sie sind sowieso schon so groß, diese Becher, und dagegen wirken die Frauen, die aus ihnen trinken, noch viel kleiner. Viel zarter wirken ihre Gesichter, aus denen auch die letzte Strähne Haar gekämmt ist – ihre dünnen Becken, die kurz im Laden verschwinden, um mit einem ebenso erfrischenden wie überteuerten modischen Kaltgetränk wieder an die Wahlheimat der Tische zurückzuschlendern.

„Nimm meine Zigarettenschachtel, sie ist noch voll, ich rauche gerade meine letzte Zigarette, ich höre auf, und es wäre doch schade drum“, sagt ein junges Mädchen mit einem fast amerikanischen Akzent auf Englisch zu einem anderen und schiebt ihr die rote französische Lightzigarettenschachtel rüber. Das andere Mädchen antwortet erstaunt und dankbar in einem ebenso amerikanisch gefärbten Englisch, mit russischem Einschlag. Hamburg. Tor zur Welt.