brief des tages:
Auf Kulturkampf statt Verständigung gesetzt
„Es braucht einen Aufschrei“, taz vom 18. 10. 20
Nach diesem schrecklichen Mord sollten wir wieder darüber nachdenken, ob es richtig ist, die Frage nach den Grenzen der Meinungsfreiheit zu tabuisieren. Welchen Wert hat die Freiheit, wichtige Symbole einer anderen Kultur und Religion lächerlich zu machen? Es gibt da Grenzen, über die nachgedacht werden muss. Judenkarikaturen im Stürmer gehörten sicher nicht zur Meinungsfreiheit, weil sie die staatlich organisierte Verfolgung und Ermordung der Juden geistig vorbereitet und begleitet haben. Dieses Extrembeispiel macht aber deutlich, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht abstrakt zu ziehen sind, sondern auf reale Umstände treffen. Hier geht es um Frankreich und dessen Umgang mit seinen muslimischen Mitbürger*innen. Frankreich hat eine mörderische koloniale Vergangenheit, unter der besonders Muslime gelitten haben. Es bietet jungen Muslimen in seinen Vorstädten kaum Perspektiven. Es hat der kulturellen Abgrenzung einer wachsenden Zahl seiner muslimischen Mitbürger*innen hauptsächlich ausgrenzende Verbote entgegengesetzt.
Gerd Bock, Bremen
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