Berliner Linke

SPITZENKANDIDATIN Vom Rütli-Kindergarten an die Weser und wieder zurück nach Berlin. Die Pädagogin Agnes Alpers zieht für die Bremer Linkspartei in den Bundestag ein

„Es gibt keine Differenzen“ zum Programm der Linkspartei, sagt Alpers, „eher noch gewisse Unschärfen“

VON CHRISTIAN JAKOB

„Aufopfern“ – das will Agnes Alpers sich nicht. „Dann mache ich Schluss“, sagt die Spitzenkandidatin der Bremer Linkspartei, die jetzt in den Bundestag eingezogen ist, als eine von 76 Linken-Abgeordneten.

Am Mittwoch vor der Wahl, um sieben Uhr morgens, verteilt sie vor dem Bahnhof Brötchen an Pendler. Wie viel solcher Termine sie absolviert hat, weiß sie nicht genau. Drei am Tag werden es wohl gewesen sein, sagt die 47-Jährige. Diskutieren will um diese Zeit kaum jemand. Die meisten nehmen die Brötchentüte mit den Flugblättern zum Mindestlohn und gehen weiter. Nur zwei Mädchen fragen Alpers, ob sie ein Wahlplakat mitnehmen dürfen, „für ein Referat in der Schule, da sollen wir die Linke sein“. Wegen „Afghanistan und Hartz IV“ hätten sie sich für diesen Part gemeldet, sagt eine.

Alpers müsste gleich selbst zur Schule. Sie ist Förderlehrerin für behinderte Auszubildende am Berufsbildungswerk in Horn. Seit langem bleibe ihr meist nur nachts Zeit, sich vorzubereiten. „Das hält man aber aus, wenn man sieht, es bewegt sich was,“ sagt Alpers, die seit 2007 Mitglied der Bildungsdeputation ist.

Zwei Wochen unbezahlten Urlaub hat sie sich für den Wahlkampfendspurt genommen. Es war ein offenes Rennen. 2005 holte die Linkspartei.PDS in Bremen 30.000 Stimmen, 20.000 zu wenig für ein Mandat. Alpers war dennoch optimistisch. Nach den Linken-Erfolgen bei den Landtagswahlen in Thüringen und im Saarland habe es einen „atmosphärischen Auftrieb“ gegeben. „Danach sagte mir jeder Zweite: Du bist drin!“ Jeder Zweite hatte Recht. Alpers holte am Sonntag fast 48.000 Stimmen.

Damit kehrt Alpers nach 16 Jahren in die Hauptstadt zurück. Die aus Niedersachsen stammende Politikerin war 1980 dorthin gezogen. An der FU studierte sie Pädagogik, war bei der „Sozialistischen Einheitspartei Westberlins“ aktiv, organisierte Konzerte für IG Metall. Schließlich wurde sie Leiterin des Kindergartens der Rütlistraße in Berlin-Neukölln – genau gegenüber der Rütli-Oberschule, die durch einen Brandbrief ihrer LehrerInnen 2005 berühmt wurde. Alpers ging die Probleme, die sich aus der extrem hohen MigrantInnen-Quote ergaben mit Pragmatismus an. Sie führte ein zweisprachiges System ein, mit ErzieherInnen, die beider Sprachen mächtig waren. Die Kinder sollten sich mit beiden Sprachen angenommen fühlen. „Die hatten am Ende ein viel besseres Sprachvermögen als sonst in solchen Fällen“, sagt Alpers.

1993 kam sie nach Bremen, mehr oder weniger zufällig. Ihre Tochter hatte Bronchitis, das zweite Kind war unterwegs. Ihr und ihrem Mann, einem Psychotherapeuten, erschien die Berliner Luft ungeeignet für die Familie. „Subkulturell“ sei das hier „zwar schon ein ganz anderer Maßstab“, aber Bremen sei „total lebenswert“, sagt Alpers heute. Sie leben in Findorff, das Alpers wie „ein Dorf in der Stadt“ erscheint.

In Berlin will Alpers sich neben Bildung mit Arbeitsmarktpolitik befassen. Schon im Wahlkampf versuchte sie damit zu punkten. Zehn Euro Mindestlohn, sie kann es genau vorrechnen, „das macht 1.600 Brutto, minus Abzüge macht 1.200 Netto, das sollte schon rauskommen“. Im Moment müssten 1,3 Millionen Menschen ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken. „Das kann nicht sein“, findet sie.

Das Verhältnis zur Programmatik ihrer eigenen Partei beschreibt sie so: „Es gibt da eigentlich keinen Punkt, von dem ich sage, der passt überhaupt nicht zu mir.“ Es gebe „keine Differenzen, eher noch gewisse Unschärfen“, sagt sie. „Die kann ich aber gut so stehenlassen, bis das genauer ausdiskutiert wird.“