Eine Übung in Demut

KIRCHENKRISE Das Bistum Hildesheim will 47 Kirchen schließen und weitere 45 nur bis 2014 finanzieren. Die Häuser können an evangelische Gemeinden verkauft werden, nicht aber an islamische und buddhistische

Erwischt hat es vor allem Kirchen, die in den 1950er bis 1970er Jahren errichtet wurden

Was die Katholiken im Bistum Hildesheim kennen, das ist das Gefühl, wenige zu sein. Das Bistum Hildesheim umfasst den östlich der Weser gelegenen Teil Niedersachsens sowie Bremerhaven und Teile von Bremen. Mit Ausnahme der Regionen Hildesheim und Duderstadt sind die Katholiken sehr deutlich in der Minderzahl gegenüber den Protestanten. Hinzu kommt, dass die wenigen Katholiken im Bistum Hildesheim immer weniger werden: Dem Bistum machen Kirchenaustritte zu schaffen, außerdem mangelt es an Nachwuchs.

Bereits im Jahr 2003 beschloss der damalige Hildesheimer Bischof Josef Homeyer ein Sparkonzept, das vorsah, die Anzahl der Gotteshäuser zu reduzieren. Der amtierende Bischof Norbert Trelle teilte nun am Dienstag nach eineinhalbjähriger Entscheidungsphase mit, welche Kirchen endgültig geschlossen werden sollen. Das Ergebnis: 47 Kirchen werden aufgegeben. Weitere 45 Kirchen werden zwar bis 2014 weiter finanziert, gelten jedoch als „nicht unbedingt notwendig für die seelsorgliche Entwicklung der jeweiligen Pfarrgemeinde“. Insgesamt gibt es 438 Kirchen im Bistum Hildesheim. 56 dieser 438 Kirchen haben die Prüfung noch vor sich. Nur 181 wurden als unentbehrlich eingestuft.

Den Gläubigen, deren Gotteshäuser geschlossen werden, ließ der Bischof seine Entscheidung durch die jeweiligen Priester in den Gottesdiensten am vergangenen Wochenende mitteilen. Trelle informierte im Nominalstil einer Behörde über den „Beratungsprozess“, der nun abgeschlossen worden sei, nachdem man 2008 die „vorläufige Verwaltungsvorlage zur Kategorisierung“ der Kirchen veröffentlicht habe. Am Ende appellierte er mit den Worten des Apostels Paulus an den Zusammenhalt: „In Demut schätze einer den anderen höher ein als sich selbst.“ Trelle weiß, dass der Einschnitt Gewinner und Verlierer hervorbringt.

Erwischt hat es vor allem Kirchen, die in den 1950er bis 1970er Jahren in Orten wie Büddenstedt-Offleben oder Coppenbrügge errichtet wurden. Damals wollte das Bistum „den vielen Vertriebenen aus dem Osten eine neue Heimat geben“ und errichtete etwa 300 neue Kirchen und Kapellen. Etliche davon waren als „Fertigteilkirchen für eine Dauer von circa 30 Jahren“ errichtet und seien baulich bereits abgeschrieben“, schreibt das Bistum.

Die Kirchen sollen nun bis spätestens 2020 geschlossen werden und an den Beschlüssen des Bischofs ist nicht zu rütteln – selbst bei eigener Finanzierung könnte eine Gemeinde ihre Kirche nicht gegen den Willen des Bischofs erhalten. Trelle steht nun vor der Frage, was werden soll aus den ganzen Gebäuden. Abriss ist eine Möglichkeit, eine andere ist, die Gebäude in Kitas oder Altenwohnungen umzuwandeln. Auch soll es möglich sein, dass evangelische oder orthodoxe Gemeinden die Kirchen übernehmen. Der Verkauf an islamische und buddhistische Gemeinschaften kommt hingegen nicht in Frage. Und zwar aus „Rücksicht auf die religiösen Gefühle der katholischen Gläubigen“, schreibt das Bistum.

KLAUS IRLER