Für den Schornsteinfeger wird es finster

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Rhein-Sieg-Kreis I

Rhein-Sieg-Kreis I?

Viel gibt es nicht, was den Bundestagswahlkreis 98 mit seinen 300.000 Einwohnern auf 660 Quadratkilometern Fläche zusammen hält: Zu unterschiedlich sind die Interessen von alten Industriestandorten wie Troisdorf oder Siegburg und eher ländlich geprägten Kreisen wie Much. Und zum Arbeiten fahren die meisten Einwohner der zehn Gemeinden – zum Wahlkreis gehören noch Eitorf, Hennef, Lohmar, Neunkirchen-Seelscheid, Niederkassel, Windeck und Ruppichterroth – ohnehin in die benachbarten Städte Köln und Bonn.

Trotzdem verzeichnet der Kreis als eine der wenigen ländlich geprägten Gegenden seit Jahren eine konstante Bevölkerungszunahme. Und das trotz des Fluglärms vom nahegelegenen Köln-Bonner Flughafen.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Seit 1998 hält der gelernte Bezirksschornsteinfegermeister Uwe Gert Göllner (SPD) das Direktmandat. 44,2 Prozent bekam er beim letzten Mal. In Berlin machte der 60-jährige Hinterbänkler zuletzt bei der Vertrauensfrage im Bundestag von sich reden: als einer derjenigen, die trotz allen Zuredens mit „Ja“ stimmten und dem Kanzler ihr Vertrauen gaben – aus „Respekt vor dem Grundgesetz“, wie er später sagte. Was insofern überraschend ist, als Göllner Mitglied im konservativen Seeheimer-Kreis der SPD ist und nicht gerade zu den bekennenden Rot-Grün-Fans seiner Partei gehört. Seinen Wählern empfiehlt sich Göllner vor allem als Lobbyist für den wirtschaftlichen Aufschwung des Wahlkreises. Dieser habe „unbestreitbare Standortvorteile im Herzen Europas“ schreibt er auf seiner Homepage an die „lieben Genossinnen und Genossen“.

Wer will den Wahlkreis?

Elisabeth Winkelmeier-Becker, 42, dreifache Mutter und Familienrichterin. Bei der Kür im CDU-Kreisverband warb sie vor allem mit ihrer „Kontaktfreude“ und „Verwurzelung in der Kommunalpolitik“. „Außerdem bin ich ein echter Kontrast zu SPD-Kandidat Göllner.“ Wenn sie in den Bundestag kommt, will sie dort vor allem Familienpolitik machen. Dass sie das kann, hat sie an ihrer eigenen Familie vorexerziert: „Zwei unserer Kinder sind schon in der Jungen Union – und das freiwillig.“

Der große Außenseiter?

Die Grünen schicken den 24-jährigen Christian Gunkel ins Rennen. Für den Studenten der Volkswirtschaft sind die drängensten Probleme des Wahlkreises die Fluglärmproblematik und der öffentliche Nahverkehr. „Die Anbindung an Bonn und Köln in der Nacht und am Wochenende ist eine Katastrophe“, findet er.

Die Linkspartei hat im Rhein-Sieg-Kreis den 65-jährigen Alfons Kortell als Direktkandidaten aufgestellt. Der ehemalige CDUler und Immer-noch-Gewerkschafter trat dort schon 2002 für die PDS an.

Die taz-Prognose?

Diesmal macht die CDU das Rennen. 2002 fehlten nur 3,4 Prozent, bei der Wahl davor war es noch knapper: Damals fehlten den Konservativen nur 300 Stimmen. SUSANNE GANNOTT