Anflug sinnloser Hysterie

Lasst die Menschen in Gottes Namen beten, wenn sie wollen

VON PHILIPP GESSLER

Bald werden sie wieder zu hören sein: Die notorischen Hysteriker, die sich entweder als Verteidiger des Westens vor dem ach so gefährlichen Islam gerieren – oder als verbissene Antimetaphysiker, die den säkularen Staat vor dem ach so großen Einfluss der Glaubensgemeinschaften verteidigen zu müssen glauben. Der Anlass dieses Mal: Das Berliner Verwaltungsgericht hat einem 16-jährigen Schüler das Recht zugesprochen, einmal täglich in einer Unterrichtspause nach dem islamischen Ritus zu beten. Oh Gott, Untergang des Abendlandes! Haben wird denn eigentlich keine anderen Probleme?

Offenbar nicht. Denn die Senatsverwaltung für Bildung befürchtet, dass durch die Entscheidung staatliche Schulen ihre Neutralität einbüßen und sich „Glaubensinseln“ bilden könnten. Wow! Eine echte Gefahr, solche „Glaubensinseln“, da muss man die Verwaltung schon verstehen – fast so gefährlich wie etwa ein Wahlpflichtbereich Ethik-Religion, den man dort auch stets mit Verve zu verhindern versucht hat, wir erinnern uns.

Senat handelt ideologisch

Man muss kein Freund allzu eifriger Moslems sein, um auch in diesem Fall etwas Gelassenheit einzufordern: Lasst den jungen Mann in Gottes Namen halt in den Pausen seinen Teppich ausrollen und sich gen Mekka neigen – warum muss sich ein deutsches Gericht überhaupt damit beschäftigen und der Senat auf das Thema anspringen, als ginge es um die Zukunft dieser Stadt?

Der Umgang der rot-roten Stadtoberen mit Glaubensdingen im öffentlichen Raum hat etwas Hysterisches, ja Ideologisches. Mit etwas mehr Coolness wäre allen geholfen.