berliner szenen Am Flipper

Kiffen und Tanzen

In der Kreuzberger Kneipe war es fast leer – bis auf die drei Männer, die am Tresen ihr Bier anguckten. Es war Sonntagabend, also flippern. Der Flipper sei besetzt, sagte der Chef hinter dem Tresen. „Wie lange spielen die schon?“ – „Schon eine Weile.“ – „Ich geh dann mal hin und mach schlechte Stimmung.“ Als Kundschafter ging ich zum Flipper.

Schlechte Stimmung machen geht so: Man stellt sich schräg hinter die Spieler und guckt und versucht dabei, seinem Blick eine gewisse Schärfe zu geben. Die beiden am Flipper waren aber prima und auf angenehme Weise bekifft ohne Alk. Sie spielten recht gut, obgleich sie miteinander spielten. Der eine bediente den linken, der andere den rechten Knopf. Sie standen dabei so, dass sie einander nicht in die Quere kamen. Der Linke stand gerade vor dem Spielgerät. Seine rechte Hand lag stützend auf der Platte. Der andere stand schräg vor dem Flipper. Seine linke Hand hatte er in die linke hintere Tasche seiner Jeans gesteckt. Das war einleuchtend und sah sehr lässig aus.

Es machte Spaß, den beiden zuzusehen. Ihre Schultern deuteten ein spiegelverkehrtes L an. Sie luden uns zum Mitrauchen ein. B. und ich hatten bis dahin nur sehr selten zusammen geflippert, und wenn, dann immer leicht tölpelhaft: gerade nebeneinander, so also, dass wir uns dabei gegenseitig behinderten. So zu spielen wie die beiden netten Kiffer war verblüffend angenehm. Ein bisschen wie Doppel beim Tischtennis oder Tanzen. Wenn man zusammen flippert, geht es ja auch um eine gemeinsame Kommunikationschoreografie, es gibt ein Drittes – den Flipper –, und es geht um die Vermeidung körperlicher Berührung, also um die Respektierung der anwesenden Körper.

DETLEF KUHLBRODT