Wenn Papa nicht zahlen will

Fast jedes zweite Kind von Alleinerziehenden erhält keinen oder zu wenig Unterhalt. Über 80.000 Kinder betroffen. Steigende Arbeitslosigkeit schwächt Zahlungsmoral der Unterhaltspflichtigen

VON PHILIPP GESSLER

Zweimal habe sie ihrer Tochter seinetwegen wehtun müssen, sagt Conny. Die allein erziehende Mutter (38) musste ihrer fünfjährigen Tochter zunächst erzählen, dass da „kein Papa da“ sei, der für sie da sei. Nach fünf Jahren begann er sich dann doch ein wenig um sein Kind zu kümmern, verlor aber sehr schnell wieder das schwache Engagement für seinen Nachwuchs – jetzt muss die Postangestellte ihrer Tochter beibringen, dass der neu entdeckte Vater wohl doch kein „wirkliches Interesse“ an ihr habe: An Treffen mit seiner Tochter ist er nicht interessiert. Und gezahlt hat er für sein Kind bisher keinen einzigen Cent.

Fast jedes zweite Kind einer allein erziehenden Mutter (seltener: eines allein erziehenden Vaters) erhält gar keinen oder nicht den vollen Unterhalt, der zu zahlen wäre. Und angesichts der zunehmenden Armut zeichne sich ab, dass die Zahlungsmoral der Unterhaltspflichtigen weiter sinkt, erklärt Elisabeth Küppers vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter in Berlin. In der Hauptstadt gibt es nach offiziellen Angaben rund 160.000 Alleinerziehende, wovon etwa 35.000 Männer sind.

Die Hälfte der bundesweit rund eine Million Kinder, die indirekt vom neuen Arbeitslosengeld II abhängig sind, lebt in Familien von Alleinerziehenden. Da die Mutter (oder der Vater) oft keine Arbeit hat oder um des Kindes willen nur Teilzeit arbeiten kann, sind Kinder von Alleinerziehenden schnell von Armut betroffen. Alleinerziehende müssen in der Bundesrepublik im Schnitt mit einem Monatseinkommen von knapp 2.100 Euro (brutto, wohlgemerkt) auskommen – das ist weniger als zwei Drittel der Einkünfte eines durchschnittlichen Haushalts. In der Hauptstadt beziehen etwa 25 Prozent der allein erziehenden Mütter Sozialhilfe.

„Empörend“ findet es Küppers deshalb, dass sich so viele Väter nicht „verpflichtet fühlen“, die meist nur 200 Euro Unterhalt pro Monat für ihr Kind bis zum 6. Lebensjahr zu zahlen. Schlimmer noch: „Die gesellschaftliche Moral ist da schräg“, meint die Expertin. In der Öffentlichkeit werde das Nichtzahlen des Unterhalts häufig noch als „Kavaliersdelikt“ verharmlost. Dabei ist die Zahlungsverweigerung ein Massenphänomen. Küppers schätzt die Zahl der gar nichts oder zu wenig zahlenden Unterhaltspflichtigen auf bundesweit etwa eine Million Menschen.

Immerhin, der Staat zahlt den Alleinerziehenden dann Unterhaltsgeld – die Beträge summieren sich zu Milliarden. Theoretisch holen sich Land und Bund das Geld vom säumigen Vater wieder – doch die „Rückholquote“ liegt nur bei etwa 10 Prozent, berichtet Küppers. Sie habe es in ihrer 15-jährigen Tätigkeit für den Verband zudem nicht ein einziges Mal erlebt, dass es vor Gericht gelungen sei, einen nicht zahlenden Unterhaltspflichtigen zu verknacken. Wer geschickt sei, könne sich dem leicht entziehen. „Das müssen die ganz Dusseligen sein“, meint Küppers.

Auch die allein erziehende Conny glaubt kaum, dass es ihr nun per Anwalt gelingen werde, den Vater ihrer Tochter zur Unterhaltszahlung zu verpflichten. Als angeblich Selbstständiger „kann er seine Einkünfte drehen und wenden, wie er möchte“, sagt sie bitter. Doch wenn er sich schon nicht kümmere, solle er wenigstens zahlen. Wobei sie selbst gern auf sein Geld verzichten würde – aber schließlich „geht es ums Kind“.