„Schreiben tut dir nicht so gut“

betr.: „Pisa: Deudschlant nicht mer Gans so dum“, taz vom 15. 7. 05

Ihre Schlagzeile fällt durch die falsche Rechtschreibung schnell ins Auge und macht neugierig. Das ist auf den ersten Blick hin kreativ und vermutlich auch verkaufsfördernd. Aber dieser Titel diskriminiert gleichzeitig einen nicht geringen Teil der Menschen in Deutschland. Die Zahlen derer, die große Lese-Rechtschreib-Probleme (Legastheniker) haben, schwanken zwischen 4 bis 15 Prozent. Die Schlagzeile suggeriert, dass Rechtschreibprobleme ein Zeichen für Dummheit sind.

Diese bei uns weit verbreitete Meinung ist ihrerseits äußerst dumm. Legastheniker sind nicht dümmer als andere Menschen, tatsächlich schneiden sie in IQ-Tests sogar oft überdurchschnittlich gut ab. Als berühmte Legastheniker sind bekannt: Carl Gustav, König von Schweden, Cher, Whoopie Goldberg, Samy Molcho und viele mehr. In Deutschland ist das Outen als Legastheniker (noch) nicht in, wenn man aber ein wenig auf die Suche geht, findet man Zitate von Menschen, die auch schon früher sehr mit der Rechtschreibung zu kämpfen hatten: „… wenn die Feder nicht so geschwind läuft, als ich denke, so schreibe ich oft den Schlussbuchstaben des folgenden Worts, ehe das erste noch zu Ende ist … ein Wort schreibe ich mit dreierlei Orthografie …“ Nun ja, dieser Schreiber hatte eine gute Lösung gefunden, er hat einfach vieles einem anderen diktiert. So fiel dann Goethes „Dummheit“ nicht so auf.

Aus meiner Arbeit mit legasthenischen Kindern möchte ich ein Gedicht eines 14-jährigen legasthenischen Jungen hinzufügen: Legasthenie / Legasthenie? / Ach, wissen Sie / nicht, was das ist? / Wenn du das bist, / ist es nicht schlimm, / denn in dir drin /weißt du genau, / dass du bist schlau. / Du denkst mit Schildern / also in Bildern. / Auch das Rechnen fällt dir schwer, / Lesen magst du auch nicht sehr, / Schreiben tut dir nicht so gut, / doch trotzdem fasse neuen Mut. / Du kannst dies, / die anderen das, / Hauptsache, es macht dir Spaß. / So kann Schreiben Spaß dir machen, / vor allen Dingen mit solchen Sachen, / wie zum Beispiel dies Gedicht. / Aufgezwungen war es nicht. / Drum hat es mir dann Spaß gemacht, / weil ich es selbst hab ausgedacht. CORNELIA JANTZEN, Hamburg