Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Suchen statt aussagen, starren statt interpretieren: Der Bundespräsident mit den toten Augen eröffnete den Wahlkampf. Und die Kontrolleure des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hielten ihre fest geschlossen

„Vielleicht pinkelt ein Gestörter in die Spree, was Marineund vor allem U-Boot-Waffe vor völlig neue Aufgabenstellen wird“

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Den „Einsatz der Bundeswehr im Inneren“ – Verschönerungsdeutsch für „Gewaltanwendung gegen die eigene Bevölkerung“ –mit einem Familiendrama zu begründen, ist rekordplemplem.

Was wird besser in dieser?

Vielleicht pinkelt ein Gestörter in die Spree, was Marine und vor allem U-Boot-Waffe vor völlig neue Herausforderungen stellen wird.

Als Bundespräsident Köhler seine Neuwahlentscheidung bekannt gab, war seine Performance miserabel. Ist der Mann überarbeitet oder überfordert?

Übercoacht jedenfalls offensichtlich. Fünf Minuten Sprechtext darf man ruhig vom Teleprompter lesen. Darin Ungeübte sehen dann so aus wie mit toten Augen: suchend statt aussagend, starrend statt interpretierend. Nach jeweils handgestoppten 60 Sekunden nach unten zu gucken, um ein zu verlesendes Manuskript zu suggerieren, macht den Auftritt noch synthetischer.

Die Vertrauensfrage war eine Farce. Sollten oder könnten die Karlsruher Richter die Wahl noch verhindern ?

Das scheint denen selbst unklar, nach Korrespondentenberichten wissen die Richter selbst nicht, wie die 60-Tage-Frist bis zur Neuwahl und die mögliche Intervention des Verfassungsgerichts zusammenpassen. Ein Urteil nach gehabter Wahl jedenfalls wäre eine weitere Farce.

Die sichere schwarz-gelbe Mehrheit für Angela Merkel ist futsch. Wer jetzt für die Linkspartei stimmen will, sorgt wohl für eine große Koalition. Hat die Langeweile denn nie ein Ende?

Alle als klassisch geltenden Nachteile einer großen Koalition haben wir längst: die Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners, das Aufschäumen radikaler Parteien, das Ohnmachtsgefühl der Wähler. Im Gegensatz zu den 60er-Jahren aber fehlt das große Projekt, das all das wert wäre. Einen sozial- und wirtschaftspolitisch großen Wurf, wie es außenpolitisch Brandts Ostpolitik war, erkenne ich nicht. Ein moralisches Projekt – immerhin koalierte der verfolgte Exilant Brandt mit Kiesinger, dem NS-Funktionär im Ribbentrop-Ministerium – sehe ich auch nicht.

Wenn die Deutschen feste ihre Steuerbescheide manipulieren und Versicherungen betrügen – regen sie sich eigentlich zu Recht über die Korruption bei VW und Infineon auf?

Wer Lohnsteuer zahlt und einen Polo versichert, hat bei weitem nicht die Betrugsmöglichkeiten wie Großverdiener sie haben. Die allgemeine Schnäppchenmarktwirtschaft entschuldigt nicht organisierte Kriminalität.

Und bestehen die Fernsehskandale um Schleichwerbung und bezahlte Berichterstattung nur aus Einzelfällen?

Die Idee, dass Sendungen gratis beim Sender landen und es das süße Geheimnis des Produzenten zu sein habe, wie er das legal hinbekommt, ist mittlerweile weit verbreitet. Der Fehler ist nicht mangelnde Kontrolle der freien Produzenten. Wir reden hier über Mitarbeiter oder Tochterunternehmen der öffentlich-rechtlichen Sender. Der Fehler ist die mangelnde Kontrolle der Kontrolleure.

Selbst auch schon einen Fehler gemacht?

Wenn der Kunde von deiner Kalkulation weniger überlässt, als zur Herstellung der Produktion nötig ist, hast du die Wahl zwischen zwei Fehlern: Du machst es trotzdem, oder du verzichtest auf den Auftrag.

Muss auch die Grauzone belichtet werden? Also: Gehört Gottschalks Gummibärchenwerbung verboten?

Gerade, weil die EU die schon recht liberalen deutschen Werberichtlinien bald sprengen wird – und dann wir noch ne Menge mehr Schleichwerbung erlaubt sein –, läge im konsequenten Werbe- und Drittmittelverzicht die große Chance der Öffentlich-Rechtlichen für ihre langfristige Existenzberechtigung.

Letzte Worte über die Tour de France dieses Jahres?

Herbert Watterott zum 40sten Mal dabei. Ulle, da liegt die Latte.

Und was wird in der kommenden Saison aus Borussia Dortmund?

Kann sich auf ebendiese konzentrieren – nach dem traditionsgemäßen Scheitern im UI-Cup.

FRAGEN: DIBA