SCHRÖDER ODER SCHREINER – DIE SPD MUSS SICH DER LINKSPARTEI ÖFFNEN
: Hessische Erinnerungen

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will nach einer Bundestagswahl im September mit den Protagonisten der neuen Linkspartei noch nicht einmal reden; ganz egal wie diese Wahl ausgeht. Der Bundestagsabgeordnete und Spitzenkandidat der SPD für diese Bundestagswahl im Saarland, Ottmar Schreiner, kann sich dagegen sehr gut vorstellen, mit den dann gewählten Abgeordneten der Linkspartei sogar eng zusammenzuarbeiten. Wer SPD wählt, nimmt an einer Art Lotterie teil – programmatisch und personell.

Wer von den Sozialdemokraten an der Spitze der Partei die große Koalition nicht will, wird sich zwangsläufig mit der Linkspartei nicht nur auseinander setzen, sondern auch mit Oskar Lafontaine und Gregor Gysi sprechen und sogar verhandeln müssen. Das wäre Realpolitik. Die Linkspartei ist nämlich nicht einfach ein heterogener Haufen aus östlichen Stalinisten und westlichen Populisten. Gerade die Grünen waren in ihren Anfängen ein Auffangbecken für Aktivisten aus linken – auch stalinistischen – Splitterparteien und an ihrem rechten Rand sicher sehr viel brauner als heute die Linkspartei.

Die Linkspartei aber ist gerade im Westen Fleisch aus dem Fleisch der Sozialdemokratie und der grünen Bewegung. Das schmerzt. Die Linkspartei füllt programmatisch das soziale Vakuum, das SPD und Grüne im Bundestag und auch in den meisten Landtagen haben entstehen lassen. Und die Linkspartei ist der Beweis dafür, dass die repräsentative Demokratie in Deutschland funktioniert. Sich für die sozial Entrechteten einsetzen zu wollen ist aller Ehren wert und kein Grund zur Diffamierung. Das zu konstatieren, ist kein Sympathiebekenntnis etwa zu Lafontaine, einem begnadeten Selbstdarsteller, sondern linkes Selbstverständnis.

Die SPD muss sich entscheiden: zwischen Schröder und Schreiner. Schröder war gestern, und rechts von der Linkspartei ist zwischen Grünen und CDU kaum noch Platz für die SPD. Schreiner also oder jedenfalls eine SPD, die sich nach links offen hält – nur so kann sie der Linkspartei das Wasser abgraben und für eine Übergangszeit mit ihr kooperieren.

Hat nicht schon einmal ein renommierter sozialdemokratischer Ministerpräsident in Hessen behauptet, dass es Lichtbilder von ihm mit den verhassten Grünen, denen er zuvor sogar mit der Dachlatte gedroht hatte, nur als Fotomontagen zu sehen geben werde? Kurz darauf, 1983, koalierte das sozialdemokratische Urgestein Holger Börner mit den Grünen – und Joschka Fischer wurde sein Umweltminister. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT