Kiezkultur eine Chance geben

Streit um die Spätkauf-Läden

VON SEBASTIAN PUSCHNER

Freie Sonntage hat SPD-Arbeitssenatorin Dilek Kolat sicher nicht viele. Einen solchen sollte sie sich demnächst aber einmal gönnen; sie könnte eine Runde spazieren gehen und sich dafür vorher im Spätkauf ihrer Wahl einen Eistee kaufen. Bei der Gelegenheit könnte ihr der Späti-Inhaber dann zwei Dinge erklären: dass Berlin dringend eine Änderung des Ladenöffnungsgesetzes braucht und warum die Senatorin einer solchen sehr hohe Priorität einräumen sollte.

Bisher überlässt Kolat dieses Feld großzügig der auf CDU-Ticket ins Amt gelangten Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz. Letztere, aufgewachsen im bayerischen Augsburg, nennt Spätis mit Recht und Verve „einen Teil der Kiezkultur“. Sie drängt auf eine Gesetzesänderung, um inhabergeführten Spätis zu ermöglichen, was diese zum Überleben benötigen: das Recht, sonntags ihren Kunden ein breites Sortiment anzubieten. Die Federführung in der Sache liege bei Kolat. Und was macht die Arbeitssenatorin? Verweist auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2009. Mit anderen Worten: Sie laviert herum.

Tankstellen dürfen es auch

Denn jenes Urteil ändert ja eines nicht: dass es für Tankstellen eine Ausnahme gibt und diese an jedem Sonntag öffnen sowie mit ihrem gesamten Sortiment aufwarten dürfen. Späti-Besitzer haben Sonntagseinnahmen aber dringender nötig als Tankstellenkonzerne. Und Fußgänger auf Spaziergang durch ihren Kiez haben das gleiche Recht auf einen sonntäglichen Eistee wie Fernfahrer auf der Autobahn.

Dafür braucht es keine große Liberalisierung für alle, wie sie die Kirchen fürchten. Sondern eine schlichte Lex Späti.