Absturz sorgt für Flugverbot

Der Selbstmord eines Piloten hat politische Folgen. Für Privatflugzeuge soll der Himmel über Berlins Mitte tabu sein. Die Union fordert sogar Bundeswehrraketen zum Schutz

BERLIN taz ■ Zwei Tage nach dem Absturz eines Leichtflugzeugs zwischen Reichstag und Kanzleramt hat die Bundesregierung erste Konsequenzen gezogen: Der Luftraum über dem Zentrum Berlins wird schnellstmöglich für Privat- und Hobbyflieger gesperrt. Das teilte Verkehrsminister Manfred Stolpe gestern nach einem Gespräch mit Berlins Innensenator Ehrhart Körting mit. Das Gebiet soll in dieser Woche mit dem Senat sowie dem Bundesinnen- und dem Verteidigungsministerium genauer festgelegt werden.

Als weitere mögliche Maßnahmen nannte Stolpe unter anderem einen besseren Schutz von Kleinflughäfen und Landeplätzen gegen unberechtigten Zugang. Zudem werde darüber nachgedacht, die Ausrüstung mit Transpondern, die den Radarstrahl reflektieren, auch für kleinere Flugzeuge zur Pflicht zu machen, damit sie auf dem Radarschirm erkennbar sind.

Anlass der neuen Regelung ist die tödlichen Bruchlandung eines Hobbypiloten auf einer Wiese vor dem Reichstag am Freitag. Zwar handelte es sich bei dem Absturz offenbar um einen Selbstmord aus privaten Gründen ohne Anzeichen für einen terroristischen Hintergrund. Politiker von Union und SPD reagierten dennoch alarmiert. „Geprüft werden muss der Einsatz von Luftabwehrraketen und Kampfhubschraubern“, sagte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Die Sicherheitsbehörden müssten in der Lage sein, „mit jedem Flugobjekt fertig zu werden“. Damit griff Beckstein die Unions-Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren auf.

CDU-Chefin Angela Merkel hatte angesichts der Anschläge in London und Ägypten ebenfalls verlangt, im Falle einer neuen Gefahrenlage dürfe es „kein Tabu geben, darüber nachzudenken, ob die Bundeswehr nicht auch neue Aufgaben übernehmen kann“.

Auf Kritik stießen die Rufe nach neuen Sicherheitsmaßnahmen bei den Grünen. „Das Luftsicherheitsgesetz bietet ausreichenden Schutz“, sagte Grünen-Innenexpertin Silke Stokar der taz. Als Reaktion auf einen Selbstmord nun Scud-Raketen im Regierungsviertel zu fordern, sei „völlig absurd“.

Auch Körting wandte sich gegen seiner Ansicht nach überzogene Forderungen wie den Einsatz von Kampfhubschraubern und Luftabwehrraketen der Bundeswehr. Er wolle keinen „Luftkrieg über Berlin“.

Sogar die Bundeswehr mahnte, den jüngsten Absturz nicht zu dramatisieren. Leichtflugzeuge hätten viel weniger Zerstörungspotenzial als Verkehrsmaschinen, sagte Hans-Joachim Schubert, Kommandeur der Nato-Luftverteidigungszentrale in Kalkar. Für Angriffe wie am 11. 9. 2001 sei man gerüstet.

Der Hobbypilot soll vor seinem letzten Flug einen Selbstmord angedeutet haben. Laut Polizei könnte der Absturz mit einem Gewaltverbrechen zusammenhängen: Die Ehefrau des 39-Jährigen wird seit einigen Tagen vermisst. ASTRID GEISLER

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