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Eine historische Studie zum Berlinale-Gründungsdirektor Alfred Bauer bestätigt, dass dessen Rolle in der Reichsfilmintendanz bedeutender war als bisher bekannt und von ihm nach 1945 systematisch verschleiert wurde. Die Geschäftsführung der Internationalen Filmfestspiele Berlin hatte im Februar das Institut für Zeitgeschichte beauftragt, Bauers Position in der NS-Filmbürokratie näher zu untersuchen. Zuvor waren Quellen veröffentlicht worden, die Bauers Rolle in der Reichsfilmintendanz neu beleuchteten. Die Reichsfilmintendanz wurde 1942 geschaffen und war die zentrale Institution zur Steuerung der Filmproduktion im NS-Regime. Bauer war Referent des Reichsfilmintendanten. Nach Kriegsende setzte er seine Karriere in der deutschen Filmindustrie fort und wurde 1951 der erste Leiter der neu gegründeten Internationalen Filmfestspiele Berlin; er blieb es bis 1976. Die Studie zeigt auf, dass Bauer sich der bedeutenden Rolle der Reichsfilmintendanz im Propaganda-Apparat der NS-Herrschaft bewusst gewesen sein musste. Seine Aufgabe darin trug zum Funktionieren, zur Stabilisierung und Legitimierung der NS-Herrschaft bei. Bauer schloss sich zudem schon früh (ab 1933) nationalsozialistischen Organisationen an und wurde 1937 Mitglied der NSDAP. Weiter legt die Studie offen, dass Bauer während seines Entnazifizierungsverfahrens (1945–47) durch bewusste Falschaussagen, Halbwahrheiten und Behauptungen seine Rolle im NS-Regime zu verschleiern versuchte und sich das Image eines Gegners des NS-Regimes konstruierte. „Durch die neuen Kenntnisse verändert sich auch der Blick auf die Gründungsjahre der Berlinale“, so Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek. Die Studie zeige zudem, dass es noch Forschungslücken bei der historischen Betrachtung der Nachkriegs-Filmbranche gebe.