NUR NACH HAUSE TRAGEN
: Brutaler Vater

Halleluja, denke ich, das war ja jetzt mal ziemlich direkt

Es ist Nacht. Ich stehe am Tresen meiner Stammkneipe in der Kastanienallee. Trinke ein Bier. Rauche eine Zigarette. Unweit von mir tuscheln zwei Blondinen. Sie sind Anfang 30, ihr Blondsein ist nicht echt. Hin und wieder werfen sie einen verstohlenen Blick auf mich. Ich reagiere nicht.

Nach ungefähr einer halben Stunde kommt die eine Blondine zu mir herüber. Sie fragt, ob sie Feuer haben kann, dann fängt sie an zu reden: Meine Freundin findet dich attraktiv. Na ja, und sie hat ein wenig getrunken heute Abend, und wir fragen uns, ob du sie später nach Hause tragen könntest. Halleluja, denke ich, das war ja jetzt mal ziemlich direkt. Die nach Hause zu tragende Freundin ist klein und hübsch.

Ich antworte: Das ist unmöglich. Ich muss heute Nacht noch jemanden anderen herumtragen. Ich bin vor vier Wochen Vater geworden. Die Blondine fragt mich, ob dies nun ein endgültiges Nein bedeute. Ich bejahe mein Nein. Die Blondine schaut mich etwas verdutzt an und sagt in gekränktem Tonfall: Das war aber jetzt eine ziemlich brutale Abfuhr. Dann geht sie zurück zu ihrer Freundin.

Jetzt bin ich verdutzt: Was war an meiner Antwort brutal, frage ich mich. Ich habe eine Frau, ein Baby und kann nicht mal kurz irgendeine andere Frau irgendwohin nach Hause tragen. Wie stellt die sich das vor? Und überhaupt, mich verführen wollen und mich dann – nur weil ich nein gesagt habe – auch noch als brutal bezeichnen. So geht das doch nicht!

Die zwei Freundinnen sind wieder am Tuscheln. Ich muss schmunzeln. Ich trinke mein Bier aus, rauche noch eine Zigarette. Beim Verlassen der Bar wünsche ich den beiden einen schönen Abend, woraufhin die nach Hause zu tragende Blondine mir schnippisch antwortet: Und dir wünsche ich noch einen bezaubernden Abend mit deinem schreienden Baby. Halleluja, denke ich und gehe. ALEM GRABOVAC