wortwechsel
: Ethik, Kopftuch, neue taz-App und SPD im Sinkflug

Was macht ein Kopftuch zum Reizstoff? Wie viel sollen Unternehmen über ihre Kund:innen wissen? SPD nach Kommunalwahl in NRW erschüttert. Berlin wirkt engherzig in Moria-Krise

Europa ist in der Verantwortung Foto: Markus Scholz/dpa

Privates ist politsch

„Sozial auch zum Coronaleugner“,

taz vom 9. 9. 20

Herr Jebsen hat ein Konto bei der GLS-Bank und die Bank beantwortet keine Presseanfrage der taz zu dem Fall. Mir als Kundin hat die Bank auf Nachfrage erklärt, dass sie „in keiner Weise die kruden Behauptungen und Geschichten des Verschwörungserzählers Ken Jebsen“ teilt. Offensichtlich möchte die Bank eine Opfererzählung von Herrn Jebsen verhindern und sich auch „sozial“ gegenüber Coronaleugnern verhalten.

Aber warum wird dann diese Haltung nicht in einem ausführlichen Interview öffentlich vertreten? So nährt man den Verdacht, dass man eben doch die eigene Klientel nicht verschrecken möchte.

Ich schreibe mit einem persönlichen Hintergrund: Meine Kinder wurden an einer Waldorfschule beschult, an der ein führender rechter Aktivist mit Kontakt zum rechtsterroristischen Umfeld des NSU 20 Jahre in Führungsverantwortung tätig war. Als das bekannt wurde, verteidigten seine KollegInnen und weite Teile der Elternschaft seine Aktivitäten als „privat“ und glaubten, damit besonders „tolerant“ zu handeln. Susanne Eisch, Minden

Ende einer Ära

„Die Zeitung in der Hosentasche“,

taz vom 16. 9. 20

Lesen bedeutet für mich, etwas Gedrucktes in der Hand zu haben, egal ob Tageszeitung, Bücher und so weiter.

Seid ihr sicher, dass die taz auf einem Smartphone inhaltlich so gelesen wird wie es heute noch mit der Zeitung auf dem Tisch geschieht? Wahrscheinlich werden die Schlagzeilen auf dem Handy ausreichen, denn – wisch – da ist schon die nächste Nachricht. Smart-Fans, die heute schon nicht mehr ohne Handy leben können, werden das begrüßen.

Professor Harald Lesch sagt dazu sehr treffend: „Es bleibt keine Zeit mehr, sich mit Inhalten reflektierend auseinanderzusetzen. Denn die nächste Nachricht wartet ja schon.“

Fazit für mich: Wenn ich die taz nicht mehr im Briefkasten vorfinde, ist für mich die Ära taz beendet, so schmerzlich das nach so langer Zeit sein wird.

Manfred Hennecke, Olsberg

Lippenbekenntnisse

„Frieden ohne Krieg und ein Krieg ohne Frieden“, taz vom 17. 9. 20

Der Grund, warum Jossi Beilin das Friedensangebot der arabischen Welt von 2002 als Hindernis zum Frieden bezeichnet, ist der, dass darin im Sinne des internationalen Rechts von Israel verlangt wird, sich auf die Grenzen von 1967 zurückzuziehen.

Doch Israel wollte das nie, trotz aller Lippenbekenntnisse zur Zweistaatenlösung. Die angeblich „einzige Demokratie im Nahen Osten“ hat sich bestens in die Diktaturenumgebung eingegliedert: Bantustans für die Palästinenser die zynisch als „Staat“ bezeichnet werden und Businessdeals, hauptsächlich militärischer Art mit den benachbarten Diktatoren und den USA – alles unter dem Beifall der EU, die wider besseres Wissen so tut, als hätten die Emirate durch ihr Abkommen mit Israel die Zweistaatenlösung gerettet, weil Israel die offizielle Annektion vorerst verschoben hat. Manuela Kunkel, Stuttgart

Pro Kopftuch

„Das Kopftuch ist mir fremd, trotzdem bin ich dafür“, taz vom 15. 9. 20

Meine Oma war streng evangelisch. Und obwohl ich sie ein wenig mochte, hegte ich immer den Verdacht, dass sie den verlorenen Krieg ebenso wenig verwunden hatte wie die Tatsache, dass ihr Sohn ausgerechnet eine katholische Frau heiraten musste.

Meine Oma trug auch Kopftuch. Das war auf dem bayerischen Land so üblich. Ob es einen tieferen Sinn hatte oder schlicht eine Modeerscheinung aus verblichenen Jahrzehnten war, vermag ich nicht zu sagen. Fest steht jedoch, dass es nicht nur „toleriert“, sondern vielmehr als fester Bestandteil der ländlichen Kultur angesehen wurde. Das aber ist heutzutage, wo alte weiße Männer Angst vor „Kopftuchmädchen“ haben, längst vergessen.

Dirk Fleischmann, Berlin

Verständlichkeit

„Cancelt euch doch“, taz vom 9. 9. 20

Über die taz möchte ich mich informieren und auf dem Laufenden bleiben. Versucht zu lesen und zu verstehen habe ich den Artikel „Cancelt euch doch“. Ich habe nichts verstanden: Von wem ist die Rede, um was geht es, wo und wann hat sich was abgespielt. Wollen Sie das so?

Die taz berichtet über Themen, die ich sonst nirgendwo finde; gut so. Aber wenn ich dann den Text überhaupt nicht verstehe mit Begriffen aus irgendeiner „Scene“, bringt mir das nichts.

Warum englische Begriffe immer mehr werden, ist auch ein Phänomen. In letzter Zeit wird das immer mehr! Hilft mir die taz dann noch?

Malte Koos, Zell unter Aichelberg

Faust in der Tasche

„Die SPD hat den Ernst der Lage nicht begriffen“,

taz vom 15. 9. 20

Ich meine mal wieder dazu etwas sagen zu müssen. Auch wegen meiner 30-jährigen SPD-Mitgliedschaft.

Die Hoffnung, dass die sozialdemokratischen Wähler den Missgriff mit der Agenda 2010 vergessen, erwies sich erneut als Selbsttäuschung, und so wird es wohl auch bleiben.

Dieser Verstoß gegen sozialdemokratische Grundsätze könnte irgendwann nur verziehen werden, wenn man sich dazu durchränge, ihn einzugestehen. Die SPD muss sich ihren Fehlern stellen, und es ist durchaus zu diskutieren, ob es da richtig war, den Oberwasserträger der Agenda-Politik zum Kanzlerkandidaten zu machen.

Eine aufrichtige Aus­ein­an­dersetzung mit den Fehlern der Vergangenheit bedeutet aber vor allem, dass dem Putin-Freund das freche Maul verboten und seine Hilfsinterventionen in den Wahlkampf zurückgewiesen werden. Der Weg in die Bedeutungslosigkeit wird sich aber wohl fortsetzen. Klaus-Joachim Heuser, Gütersloh

Koloniales Erbe

„Der M. hat seine Schuldigkeit getan“,

taz vom 21. 8. 20

Es ist doch mehr als erstaunlich, dass die Berliner Verkehrsbetriebe und der Bezirk Mitte wohl sehr konkrete Absichten haben, den U-Bahnhof Mohrenstraße und gleich die ganze Straße umzubenennen. Mit allem Aufwand, der dazu gehört und der meines Erachtens historisch betrachtet völlig unsinnig ist.

Nach meinem Wissensstand wohl auch ohne eine Befragung ihrer Fahrgäste beziehungsweise der Berliner Bürger dazu.

Selbst wenn das Wort Mohr negativ bewertet würde, käme eine reine Umbenennung ja einer Verdrängung der eigenen Geschichte gleich. Viele Bürger gehen täglich in einem Supermarkt einer großen „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“ ihre Besorgungen machen. Die Kolonialzeit war mit Sicherheit auch kein Ruhmesblatt deutscher Vergangenheit. Ulrich Herzau, Berlin

Datenkrake im Zaum

„Die Zeitung in der Hosentasche“,

taz vom 16. 9. 20

Ich benutze noch die alte taz-App, die ich trotz Google- und Apple-freiem Handy via Aurora Store herunterladen konnte.

Die neue App ist aber so nicht zu bekommen. Das heißt, dass die Menschen, die sich keine Datenkraken auf ihre Smartphones holen, auch nicht vernünftig in der digitalen taz blättern können.

Da wartet noch Arbeit auf das Entwicklungsteam der taz.

Rainer Momann, Puchheim

Anerkennung

„Die Zeitung in der Hosentasche“,

taz vom 16. 9. 20

Ein anerkennendes Kopfnicken für das ohne Playstore runterladbare APK der neuen App. Markus Demleitner, Heidelberg