Assad spricht von einer Schicksalsfrage

SYRIEN Ein Video zeigt angeblich eine Hinrichtung durch Rebellen, Amnesty wirft dem Regime Schüsse auf Demonstranten vor: In Aleppo gehen die erbitterten Kämpfe weiter. Im Exil bekommt der Syrische Nationalrat Konkurrenz durch ein neues Bündnis

Der Präsident wurde seit zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen

ALEPPO/BEIRUT rtr/afp/dapd | Syriens Präsident Baschar al-Assad hat den Kampf gegen die Rebellen zur Schicksalsfrage für sein Land ausgerufen. „Das Schicksal unseres Volkes und unserer Nation – in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – hängt von dieser Schlacht ab“, erklärte Assad am Mittwoch im Armee-Magazin. Darin pries er die Kampfbereitschaft seiner Soldaten gegen die Aufständischen, die er „kriminelle Terroristenbanden“ nannte. Wo Assad sich aufhielt, war unklar. Zwei Wochen lang hat er sich nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt.

Soldaten und Rebellen kämpften auch am Mittwoch erbittert um die Kontrolle über die Millionenstadt Aleppo im Norden. Am Morgen waren laute Explosionen zu hören. Aus Hubschraubern feuerten Soldaten auf die Aufständischen. Die Armee versuchte, die Rebellen zurückzudrängen. Diese kontrollieren nach eigenen Angaben einen weiten Bogen, der Viertel im Osten und Südwesten der Wirtschaftsmetropole umfasst. In den vergangenen Tagen konzentrierten sich die Gefechte auf den südwestlichen Stadtteil Salaheddine.

Im Internet kursierende Videos, die aus Aleppo stammen sollen, zeigten, wie Rebellen Hinrichtungen vornahmen – wie dies auch Assads Truppen in Damaskus vorgeworfen wird. In einem Film waren vier Männer zu sehen, die offenbar der gefürchteten Assad-treuen Schabiha-Miliz angehörten. Rebellen führten sie eine Treppe hinunter. Sie stellten sie vor eine Wand, legten das Gewehr an und schossen. Schaulustige riefen: „Gott ist groß.“ Für eine andere Aufnahme filmte ein Kameramann die Leichen von 15 Männern, die vor einer Polizeiwache lagen. Ein Aufständischer feuerte auf die Leiche des Kommandeurs und schoss ihm den Kopf weg. In beiden Fällen war es nicht möglich, den Wahrheitsgehalt der Filme zu überprüfen.

Unterdessen warf Amnesty International (AI) den syrischen Truppen schwere Menschenrechtsverbrechen in Aleppo vor und beklagte den Beschuss von Demonstranten im Vorfeld der derzeitigen Offensive. „Jede Demonstration, die ich in Aleppo beobachtete, endete damit, dass Sicherheitskräfte das Feuer auf die friedlichen Demonstranten eröffneten“, erklärte die AI-Expertin für Krisengebiete, Donatella Rovera, in einem am Mittwoch vorgestellten Bericht. Sie bezog sich auf Beobachtungen, die sie Ende Mai in der heute umkämpften Stadt machte.

In der Opposition im Ausland zeigen sich indes Spaltungstendenzen. Der syrische Dissident und Menschenrechtsanwalt Haitham al-Maleh erklärte in Kairo, ein neues Oppositionsbündnis habe ihn mit der Bildung einer syrischen Exilregierung mit Sitz in der ägyptischen Hauptstadt beauftragt. Er werde „mit allen Kräften der Opposition sprechen“, sagte al-Maleh bei einer Pressekonferenz. Der 70 Jahre alte ehemalige Richter ist ein langjähriger Kritiker des Assad-Regimes. Aus politischen Gründen saß er mehrfach im Gefängnis. Zuvor hatte bereits der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) Gespräche zur Bildung einer Übergangsregierung im Exil angekündigt. Maleh war früher selbst Mitglied des SNC.