SPD-Polizist jagt das Berliner Bällchen

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Wahlkreis Heinsberg

Kreis Heinsberg?Von Holland vergessener Westzipfel Deutschlands. Von knapp 250.000 Einwohnern sind gut 180.000 wahlberechtigt und rund 12 Prozent arbeitslos. Wogende Felder, ein Militärstützpunkt und zwei längst geschlossene Zechen. Um die scharen sich die mit der Lupe zu suchenden SPD-Wähler. Der gemeine Kreisheinsberger lebt hingegen auf dem Dorf, mag Schützenfeste, Amateurfußball und Fahrradtouren. Der etwas jüngere Kreisheinsberger fährt in die Niederlande zum Kiffen. Wer verteidigt den Wahlkreis?Ein angebissenes Puderzucker-Bällchen mit Erdbeerfüllung. Das zumindest ließ CDU-Mann Leo Dautzenberg im vergangenen Wahlkampf auf seine Plakate drucken. Der Slogan dazu: „Unser Berliner“. Berliner ist der 55-jährige vierfache Vater seit 1998, zumindestens beruflich. Pünktlich zum Wechsel der Christdemokraten in die Opposition zog der gelernte Banker und Betriebswirt aus dem verschlafenen Nest Gillrath mit 49,2 Prozent der Stimmen in den Bundestag ein. Dort fungiert er als erfolgreicher Hinterbänkler und Touristenführer für Besuchergruppen aus dem Wahlkreis. Sein Geld verdient er mit einer Firma für ebenso schicke wie teure Halogenlampen.Wer will den Wahlkreis?Ein Polizist. Norbert Spinrath, 47 Jahre alt, war sogar schonmal Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Nun soll er für die SPD den schwarzen Westen erobern. Seine Partei scheint ihm zu vertrauen: Eine Absicherung über die Landesliste hielt sie nicht für nötig. Spinrath kam auf den sagenhaft schlechten 51 Platz. „Eine geschlossene Allianz der derzeitigen Mandatsträger“ habe es Neueinsteigern schwer gemacht, beschwerte sich Norbert Spinrath. Sieht nicht nach einer großen politischen Karriere in der SPD aus.Die große Außenseiterin?Christa Nickels, grüne Obermutter des Kreises Heinsberg. Die Menschenrechtlerin und frühere Drogenbeauftragte der Bundesregierung tritt nämlich gar nicht mehr an. Nach 22 Jahren Mitgliedschaft in allen bisher da gewesenen grünen Bundestagsfraktionen verwehrte ihre Partei ihr einen aussichtsreicher Listenplatz. Deshalb verzichten die Grünen in Heinsberg dieses Mal voraussichtlich auf eine DirektkandidatIn. Dafür mit dabei: Christel Frohn für die Linkspartei. Im Internet auf Fotos noch etwas schüchtern lächelnd neben ihrem neuen Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine.Die taz-Prognose?Dautzenberg bleibt Berliner. Einen sichereren CDU-Wahlkreis in NRW gibt es kaum. KLAUS JANSEN