Schünemanns Scheune zu

Vorbeugende Telefonüberwachung: Niedersachsens Innenminister dürfte vom BVG eine Niederlage einfahren

Warum das Scheunentor so weit öffnen, wenn man nur ein Mäuschen einlassen will, wollten die Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVG) im März bei der Verhandlung wissen. Weil es damals viele kritische Fragen gab, rechnet inzwischen offenbar selbst Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nicht mehr damit, dass sein Gesetz zur vorbeugenden Telefonüberwachung ungeschoren davonkommt. Morgen will das BVG urteilen. „Es wäre für uns ein Erfolg, wenn das Gesetz als solches Bestand habe würde“, sagt Schünemanns Sprecher Klaus Engemann.

Nach der 2003 beschlossenen Regelung darf die Polizei die Lauscher anstellen, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird“ – bislang durfte sie nur horchen, wenn bereits eine Tat begangen war. Eine ähnliche Regelung gilt in Thüringen. Hamburg und Bayern warten auf das Urteil. Wie sich die Regelung auswirkt, erfuhr ein Göttinger Student, der als militanter Castor-Gegner verdächtigt worden war: Ihm folgten die Beamten auf die Toilette, die Polizei zapfte das Telefon von Mitbewohnern an, das Auto eines Bekannten wurde mit einem Peilsender bestückt. Das Verfahren wurde eingestellt (taz berichtete).

Dass Schünemann betont, die Überwachung werde nur eingeleitet, um schwerwiegende Gefahren abzuwenden, ist dem Kläger nicht genug. „Stellen Sie sich vor, eine Scheune brennt ab“, sagt der Oldenburger Richter, der nicht namentlich genannt werden möchte. Je nach Verdacht könne die Polizei nicht nur alle Feuerwehrleute belauschen, sondern auch deren Freunde und Verwandte, „also das ganze Dorf“.

Auch wegen der Einwände von Datenschützern und Bund hat der Kläger „das Gefühl, dass das so nicht durchgehen wird“. Vielleicht werde das Gericht den Richtervorbehalt stärken, die Liste der Straftaten oder den Kreis der „Kontaktpersonen“ einengen, der außer dem Verdächtigen überwacht werden darf. ksc