Die Vorhölle von Delmenhorst

Sarah & Marc in Love: Hirnlose Celebrity-Soap in schleiflacksargähnlichem Ambiente

Eine fleischfarbene Unterhose, live im TV dargeboten, brachte den Durchbruch

„Abnehmen beginnt im Kopf,“ kann man derzeit überall lesen, und man fragt sich: Wieso das? Wieso soll, wer sein Körpergewicht drücken will, ausgerechnet mit den paar Gramm Gehirn anfangen? Und wie soll das ganz praktisch gehen? Mittels ein paar Runden Hirnjogging vielleicht? Mit Hilfe einer Gripsdiät? Oder gleich durch Amputation bzw. Absaugen der kopfinnen schwappenden Grütze?

Die Schlagerfabrik Sarah Terenzi, besser bekannt unter der Warenbezeichnung Sarah Connor, hat offenbar letztere Methode gewählt, bevor sie auch den Rest ihres Körpers auf ein Gertenmaß runterspeckte, das schleunigst die Welthungerhilfe auf den Plan rufen sollte. Verfügte aber diese Dame noch über ein vollständiges Hirn, wäre kaum möglich, was seit Anfang Juli im Dienstagabendprogramm von Pro Sieben zu besichtigen ist: eine Sendereihe, die unter dem Titel „Sarah & Marc in Love“ in nunmehr schon vierter Sequenz – fünf weitere sollen folgen – erschütternde Einblicke in eine Art Vorhölle gewährt. Frau Connor sagt allerdings „unser Privatleben“ dazu.

Ab spielt sich dieses Privatleben in Delmenhorst, einem vorrangig Trübsal blasenden Flecken nahe Bremen; Schilder, auf denen „Da, wo das Grauen zu Hause ist“ steht, weisen den Weg in diesen Unort. Hier wurde 1980 Sarah Lewe geboren, die gut zwanzig Jahre später als Sarah Connor das zustande brachte, was man hierzulande eine Traumkarriere nennt. Eine fleischfarbene Unterhose, live im TV dargeboten, brachte ihr den Durchbruch. Seither gilt die große Blonde mit dem kleinen Hau als Popstar. Sie bezichtigte Udo Jürgens der Knabenvorliebe und textete kurzerhand die Nationalhymne um. Und nach wie vor unterhält sie in dem Nest Delmenhorst „ein Nest“.

So jedenfalls heißt Frau Connor jenen Albtraum in Klinkerweiß, den sie samt Kind und Gatte erst kürzlich bezog: Eines dieser Landschaften verschandelnden Mittelschichthäuser der ganz besonders fiesen Katalogsorte „Schöner Wohnen“. Ausgestattet und möbliert nach jener gehobenen Ikea-Art, wie sie heutzutage verbreitet in Grünenwähler- und Neureichenkreisen grassiert. In diesem schleiflacksargähnlichen Ambiente sieht man Frau Connor in der „einzigartigen Celebrity-Doku-Soap“, wie Pro Sieben das nennt, vorrangig herumlümmeln. Standesgemäß gekleidet, also im ebenso bauch- wie geschmacksfreien Schlampenlook einer bourgoisen Trutsche, dabei stets und schnoddrig dieses und jenes Popstar- wie auch Muttithema beschnatternd.

Mit von der schmierseifigen Abhängepartie: Ehemann Marc Terenzi, ein Teddybär von einem Mann, 27 Jahre alt und von Beruf ebenfalls Popstar, sowie ihr gemeinsamer, wenn auch gesichtsloser Sohn Tyler – was allerdings keine Folge einer Kopfdiät, sondern bloß dem Schutz des Bengels geschuldet ist. Wann immer das Kind ins Bild krabbelt, wird sein Antlitz auf unscharf gestellt; freiwillig verzichtet somit Pro Sieben auf die quotenträchtige Zuschauergruppe der potenziellen Kindesentführer.

Ansonsten aber wird in der TV-Seife gnadenlos offen dokumentiert, was bei den Delmenhorstern Popstars privat so alles ab geht: Marc holt Brötchen. Ein Wünschelrutengänger fahndet im Haus nach Erdstrahlen. Marc backt eine Waffel. Sarahs Mutter Soraya (die ausladende Rubensbrust mit einem T-Shirt verhängt, auf dem „Look, but not touch“ steht) schaut auf einen Plausch rein und schmeißt was runter. Marc hinterlässt eine Sandspur auf dem weißen Teppich. Sarah saugt sie weg. Im Garten installieren Arbeiter einen Zaun. So weit des Privatlebens erster Doku-Teil, dessen Höhepunkt ohnen Zweifel erreicht wird, als zu einer ebenfalls en detail dokumentierten Gartenparty Sarahs Vater Michael vor dem Gartentor aufkreuzt und Mutter Soraya sagt: „Hat mal jemand den Gate-Öffner? Michael kommt.“ Michael sieht übrigens aus wie Jürgen Drews kurz nach seiner Beerdigung.

Auch in den nächsten Folgen von „Sarah & Marc in Love“ schleppt sich das Privatleben der Delmenhorster Popstars nur so dahin. Ein schmaler, klebriger Fluss, um nicht zu sagen Ausfluss. Man sieht, wie Sarah und Mutter Soraya einen Salat zubereiten. Sarah macht einen Schwangerschaftstest (negativ). Zwischendurch kaufen die Terenzis samt einigen Verwandten und Freunden bei Ikea ein Bett. Dann endlich mal, eine Sensation: Wieder daheim, hat keiner Lust, das Bett aufzubauen. Es kommt zum Krach. Danach passiert allerdings wieder – nichts.

Wer abnehmen will im Kopf, schaue diese Sendung. Schon zwei Folgen reichen, um ein Hirn spürbar schrumpfen zu lassen. Nach neun ist es mit Sicherheit ganz weg. FRITZ TIETZ (z. Zt. in therapeutischer Hirnwiederaufbereitung)