„Auf Brautschau ist keiner“

EINHEITSLISTE Hamburgs Parteien suchen verstärkt die Kooperation statt Konfrontation. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich im taz-Interview über die Konsenssucht im Rathaus

■ 48, Arzt, Mitglied der Bürgerschaft 1997 bis 2004, bis 2008 Staatsrat der Sozialbehörde, bis 2011 Sozialsenator, seit 2011 Fraktionsvorsitzender.  Foto: dpa

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Wersich, was ist in der Hamburger CDU geblieben von dem gescheiterten Rechtsaußen-Experiment unter Christoph Ahlhaus?

Dietrich Wersich: Christoph Ahlhaus ist sicher ein anderer Typ als Ole von Beust, aber es gab kein Rechtsaußen-Experiment. Unsere neuen Leitlinien, die nach einer ungewöhnlich intensiven und lebhaften innerparteilichen Diskussion beschlossen wurden, haben den Kurs der liberalen Großstadtpartei eindeutig bestätigt. Alles andere wäre für die CDU in Hamburg auch verkehrt.

Also die Hamburger CDU als moderne Großstadtpartei? Können Sie das an zwei Beispielen erläutern?

Wir wollen, dass Hamburg die Stadt der Chancen ist. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer durch Kinderbetreuung und eine flexiblere Arbeitswelt, aber auch die Förderung von Exzellenz, etwa in der Wissenschaft sind zentrale Ziele. Gleichzeitig stehen wir für Hamburg als Heimat, in der man sich wohlfühlt – in allen Stadtteilen und egal, woher man kommt.

In der Bürgerschaft sind seit Jahresbeginn viele Beschlüsse mit breiten Mehrheiten oder sogar einstimmig gefasst worden. Gibt es im Rathaus eine neue Konsenssucht?

Es gibt immer Sachfragen, bei denen sich alle einig sind. Ich sehe da keinen Unterschied zu früher, nicht einmal zu unserer Alleinregierung. Die Kompromisse zur Volksgesetzgebung sind richtig, weil sie weit über das Parlament hinausreichen.

Ist das eine Frage der politischen Hygiene, nicht Opposition um jeden Preis zu betreiben?

Die Kontrolle des Senats durch die Opposition ist enorm wichtig, wir müssen über die Fehler und die Folgen falscher Politik dieser SPD-Alleinregierung aufklären. Aber mir geht es um Entscheidungen, die gut sind für die Stadt, nicht um Opposition um jeden Preis.

Die SPD hat eine eigene Mehrheit. Sind Ihre Kooperationsangebote ein Versuch, die Opposition zu spalten?

Ich glaube schon, dass die SPD keine Lust hat, ständig einen Vier-Fronten-Kampf zu führen, allein gegen alle. Wenn die SPD unsere Ideen gut findet und unterstützt, freut uns das.

Aber die SPD regelt das ja mit wechselnden Konstellationen: Schuldenbremse mit Grünen und FDP, Nichtraucherschutz mit Linken und einigen Christdemokraten …

Ich sehe da kein Problem, wir sind ein lebendiges Parlament, in dem viele Meinungen vertreten sind.

Vielleicht will die SPD potenzielle Koalitionspartner für die nächste Legislaturperiode schon mal anfüttern – ein Leckerli hier, ein Leckerli dort?

Natürlich will es sich die SPD nicht mit allen verderben. Sie weiß ja auch, dass sie die nächste Wahl leicht verlieren kann, von der absoluten Mehrheit mal ganz zu schweigen.

FDP-Fraktionschefin Katja Suding sagte vor vier Wochen im taz-Interview, sie könne sich eine Koalition mit der SPD vorstellen. Wundert Sie das?

Nein.

Offenbar hat die FDP die CDU als Partner bereits abgeschrieben. Enttäuscht Sie das?

Quatsch, die FDP muss sich ernsthafte Sorgen um ihre politische Existenz in Hamburg machen.

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel bestritt vor zwei Wochen an dieser Stelle, auf Brautschau zu sein. Wo bleibt da noch eine Perspektive für die CDU?

Meine Güte, es sind doch erst eineinhalb Jahre der Legislatur um, da ist keiner auf Brautschau! Die Wähler entscheiden 2015, wer regieren soll, und wir wissen ja, wie schnell sich die Stimmung in Hamburg drehen kann.

Politik ist doch ein Wunschkonzert – was wäre Ihnen am liebsten: Rot-Schwarz, Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün, Schwarz-Grün-Gelb?

Ich finde, die CDU hat in Hamburg am besten allein regiert, diese Zeit hat der Stadt richtig Aufwind gegeben.

Dressel hat angeregt, die Arbeit der Härtefallkommission transparenter zu machen. Was halten Sie von dem Vorschlag?

Ich weiß nicht, was er sich da konkret vorstellt. Im Endeffekt geht es immer um ganz persönliche Dinge, sodass die Betroffenen auch einen Anspruch auf den Schutz ihrer Daten haben.

GAL-Fraktionschef Jens Kerstan erklärte vorige Woche im taz-Interview, der SPD fehle Menschlichkeit und deshalb mache sie eine Ausländerpolitik wie zu Schills Zeiten. Teilen Sie diesen Vorwurf?

Na ja, da spitzt der Kollege Kerstan sicherlich zu. Aber manche Entscheidung der SPD und deren Rechtfertigung war schon fragwürdig.

In zweieinhalb Jahren sind schon wieder Bürgerschaftswahlen. Ihre Prognose?

Ich bin zuversichtlich. Die Wähler geben gerne Kredit, und wenn das Ergebnis nicht überzeugt, wählen sie nächstes Mal wieder die anderen.

Sie wollen also wieder regieren?

Klar, die CDU will gestalten und regieren. Wir haben in Hamburg gezeigt, dass wir das können.

Längere Fassung des Interviews auf www.taz.de