„Wir subventionieren jede Karte mit 110 Euro“

Interview mit dem Essener CDU-Finanzdezernenten Marius Nieland über sein Verhältnis zum Regierungspräsidenten, städtische Subventionen, neue Belastungen durch Hartz IV und Finanzpolitik für seine neunjährige Tochter

taz: Wie lebt es sich, wenn einem bei jedem Haushaltsplan der Regierungspräsident auf die Finger schaut?Marius Nieland: Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zur Bezirksregierung. Das liegt auch daran, dass der Kämmerer in einer Stadt sowieso eine besondere Position einnimmt: Er muss ebenso wie die Kommunalaufsicht darauf achten, dass sich die Finanzsituation nicht noch weiter verschärft. Seine Aufgabe ist: Er muss immer sparen.

Wer bestimmt denn letztendlich über die Ausgaben der Stadt?Im Rahmen des vom Rat beschlossenen Haushaltsplanes können Ausgaben getätigt werden. Bei Kommunen mit „Nothaushaltsrecht“ sagt die Bezirksregierung wie investiert werden darf. Natürlich bestimmen wir bei den Ausgaben mit.

Und bestimmen vor allem Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen...Wir könnten dort noch mehr sparen. Und trotzdem subventionieren die Kommunen gerade Aufgaben im freiwilligen Bereich noch immer sehr stark, was den meisten MitbürgerInnen gar nicht bewusst ist. Gehen Sie doch einfach mal in den Essener Gruga-Park oder ins Schauspielhaus: Es ist doch klar, dass der Eintritt, den Sie dort bezahlen, nicht kostendeckend sein kann. Eine Eintrittskarte im Essener Schauspielhaus subventioniert die Stadt zum Beispiel mit 110 Euro.

Also trotz Haushaltssicherung besteht kein Grund zur Sorge, was die Essener Bewerbung um die Kulturhauptstadt 2010 angeht?Nein. Es stellt sich doch die Frage, ob beim Standort-Wettbewerb der Städte Sparen allein überhaupt Sinn machen würde. Schließlich geht es um Essens Stadtentwicklung und Attraktivität. Gerade dort lohnt es sich doch zu investieren. Denn nur wenn wir Essen so attraktiv wie möglich zu machen, können wir Unternehmen in die Stadt zu locken, die der Stadt dann wiederum durch die Gewerbe- und Körperschaftssteuer mehr Einnahmen bringen.

Klingt einfach...Die eigentlichen Probleme liegen nicht bei uns. Die Ausgaben der Kommunen sind im wesentlichen noch die gleichen wie vor zehn Jahren. Neu ist, dass der Bund uns immer mehr Aufgaben aufbürdet.

Und die wären?Nehmen Sie Hartz IV: Der Bund hatte den Kommunen eine Entlastung zugesagt. Tatsächlich können wir froh sein, wenn wir plusminus Null herauskommen. Wir brauchen aber eine Entlastung, da wir jeden Tag mehr Geld ausgeben, als wir einnehmen; in Essen sind das täglich eine Million Euro. Die Kosten im Sozialbereich sind ohnehin eine tickende Zeitbombe: Allein in diesem Jahr hat Essen 749 Millionen Euro für Jugend und Soziales Ausgegeben. Das sind 41 Prozent unserer Gesamtausgaben. Deshalb finde ich, dass der Bund künftig erst dann Gesetze erlassen sollte, wenn er die Finanzierung mit den Kommunen geklärt hat.

Es macht also momentan nicht wirklich Spaß, Kämmerer zu sein?Seit dem 1. Mai 2004 bin ich Kämmerer der Stadt Essen. Ich wusste vorher, wie schwierig mein Beruf werden würde. Trotzdem habe ich den Optimismus nicht aufgeben. Wir müssen all unser Engagement danach ausrichten, den Schuldenberg zu bewältigen, unserer Kinder wegen. Als Vater eine neunjährigen Tochter reicht mir das an Motivation. INTERVIEW: UTA BAIER