Das besondere Geschenk: Ein Stück Wald

Zum Ärger von Förstern und Naturschützern verkaufen die niedersächsischen Landesforsten ihre Flächen an Privateigentümer. Anders als geplant, handelt es sich nicht nur um Streubesitz, sondern auch um größere Gebiete

Der Waldbesitzer in spe hatte es sich anders überlegt. Eigentlich wollte er dem Land Niedersachsen ein Stück Wald abkaufen. Als Jagdgelegenheit. Doch dann sagte er den Deal ab. Der Grund: Seine neue Freundin. Der Förster, der diese Anekdote erzählt, kann es selbst gar nicht glauben. Dass die ehemaligen Staatswälder zukünftig vermehrt Leuten gehören werden, die sich einen Wald zulegen wie ein Auto oder ein Ferienhaus.

Bis 15.000 Hektar Wald will Niedersachsen verkaufen, um den Haushalt zu sanieren. Vorrangig „Streubesitz“, so die offizielle Version, also landeseigene Flächen, die zu klein sind oder in zu weiter Entfernung zum nächsten Revier liegen, um wirtschaftlich nutzbar zu sein. Doch es tritt offenbar genau das ein, was viele befürchtet haben: Auch größere Flächen Landeswald wechseln den Besitzer. „Da wird dann mal eben die jahrzehntelange Arbeit eines Försters verkauft“, schimpft Georg Deeken, Gewerkschafter bei der IG BAU.

Diesen Trend bestätigt Stefan Fenner, Sprecher der niedersächsischen Landesforsten, einer ehemaligen Behörde, die seit diesem Jahr zum Teil privatwirtschaftlich organisiert ist und bis 2008 Einnahmen und Ausgaben auf eine „schwarze Null“ bringen soll. „Die Nachfrage ist hoch, zum Teil melden sich auch Makler bei uns“, sagt Fenner. Und das trotz der sinkenden Holzpreise. Aber um eine Forstwirtschaft scheint es auch den wenigsten Interessenten zu gehen. „Die meisten suchen eine Jagdgelegenheit“, so Fenner. Wie viel Hektar im ersten Halbjahr schon verkauft worden seien und um welche Flächen es sich konkret handelt, das dürfe er aber leider nicht verraten. Nur so viel: Harz und Solling würden derzeit nicht angetastet. Bereits jetzt befinden sich mit 675.506 Hektar über die Hälfte der Waldfläche Niedersachsens in Privatbesitz – der Bundesdurchschnitt liegt bei 43,6 Prozent. Auch andere Bundesländer versuchen ihren Wald loszuwerden, um Stellen einsparen zu können und über Verkäufe Geld in die leeren Kassen zu spülen. Einen Unterschied zwischen Privat- und Staatswald spürt der Bürger oder die Bürgerin zunächst nicht. In beiden gilt das freie Betretungsrecht, eine „Waldmaut“ muss Otto Normalspaziergänger nicht befürchten. Dennoch warnen Kritiker der Verkäufe davor, dass viele der Neu-Waldbesitzer eben keinen Bezug zu „ihrem Wald“ und vor allem kein Interesse an ökologischen Extra-Aufgaben hätten. „Der Staatswald ist ein Bürgerwald und als solcher sollte er Sachen machen, die der private gar nicht bezahlen kann“, sagt Gert Habermann, pensionierter Förster aus dem Solling. Dazu zählt Habermann das Pflanzen von langsam wachsenden Bäumen wie Eichen, die eine ungleich größere Artenvielfalt nach sich ziehen als die schnell wachsenden „Billigbäume“ Fichten. Die würden auch in den Staatswäldern zunehmend gepflanzt, so Habermanns Beobachtung. „Es geht nur noch um den Profit, Artenschutz und Erholung spielen kaum noch eine Rolle.“

Den Grund sieht er in dem wachsenden Druck auf die Landesforsten, die viel beschworene „schwarze Null“ zu erreichen. Dazu wurden in diesem Jahr noch einmal 19 von 26 Forstämtern und 66 von 340 Revierförstereien geschlossen. Die Förster hätten daher keine Zeit mehr, sich um etwas anderes als das Fällen von Bäumen zu konzentrieren, so Habermann. „Es wird nur noch geholzt, geholzt, geholzt“, glaubt er. Hinter vorgehaltener Hand würden ihm Kollegen erzählen, sie betrieben Raubbau am Wald. Offen äußern mag sich niemand, zu groß ist die Angst vor der nächsten Streichrunde. Eiken Bruhn