Senat baut auf Tricksereien

Erst aushorchen, dann durchleuchten: Der rot-rote Senat will die bezirklichen Bauämter straffer organisieren. Dabei offenbart die Regierung ein seltsames Demokratieverständnis. Ein Lehrstück

von ULRICH SCHULTE

Es ist kaum zu glauben, aber manche politische Debatte gibt tatsächlich Aufschlussreiches her. Die Diskussion der „Neuorganisation des bezirklichen Bauwesens“ zum Beispiel ist durchaus spannend – auch wenn sie auf den ersten Blick nicht besonders sexy klingt. Sie zeigt, dass Unternehmensberater großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, dass das Parlament da manchmal nur stört und dass selbst eine rot-rote Landesregierung, die stolz auf Gesetze zur Bürgerbeteiligung verweist, ein seltsames Demokratieverständnis entwickeln kann.

Worum geht es? In der vergangenen Woche wurde bekannt, wie der Senat die Bauämter in den Bezirken effizienter gestalten will. Die Überlegung gibt es seit Jahren. Neu ist aber eine „Gutachterliche Stellungnahme“ der dänischen Unternehmensberatung Rambøll Management, die der taz vorliegt. Das Papier vom 25. Juni schlägt tief greifende Änderungen des Status quo vor, bei dem jeder Bezirk eine eigene Abteilung für Hoch-, Tief- oder Grünbau vorhält. Stattdessen soll sich ein gemeinsamer Bau- und Unterhaltungsdienst künftig um die wichtigen Sachen kümmern: „Kapazitäten für Durchführungsaufgaben größerer Unterhaltungsprojekte sowie für Neubauprojekte werden zentral auf der Ebene der Bezirke organisiert“, so das Gutachten, was übersetzt bedeutet: Wenn in einer Marzahner Schule die Heizung platzt, rücken – organisiert von einer Zentrale in Bezirksregie – Monteure aus Charlottenburg an. Bei dem Modell blieben die Bezirke zwar Bauherren, wenn etwa auf ihrem Gebiet ein Parkhaus entsteht. Architektur- und Planungsleistungen oder die Projektsteuerung würden aber zentral organisiert.

Mehr Effizienz – das bedeutet für die dänischen Berater vor allem eines: weniger Leute. Von den derzeit rund 3.800 Mitarbeitern würden fast 1.900 nicht gebraucht, rechnen sie vor. Die Finanzverwaltung will die Ergebnisse am 23. August mit dem Rat der Bürgermeister diskutieren. Im Anschluss wird der Plan in eine Senatsvorlage gegossen.

Bemerkenswert ist nun, dass die Entscheidung gegen den erklärten Willen der Fachleute vor Ort durchgedrückt werden soll. Fast alle Baustadträte lehnen die Idee ab, über alle Parteigrenzen hinweg: „Wenn es um Reparaturen in einer Schule geht, können wir in unserer Datei die Macken des Gebäudes sofort abrufen. Leute aus Neukölln kennen doch nicht mal den Hausmeister“, sagt Klaus-Dieter Gröhler, CDU-Baustadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf. Fazit: Bauen sei ohne Ortskenntnis unmöglich. Sein Amtskollege aus Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), pflichtet bei: „Unsere Leute sind mit den existierenden Dokumentationspflichten jetzt schon überlastet. Es hätte katastrophale Folgen, wenn man noch eine Verwaltungsebene vorschaltet.“

Die Vorgeschichte des Gutachtens spricht Bände, der Senat greift zum Prinzip „doppelt gemoppelt hält besser“. Denn Baustadträte, Bürgermeister und Fachabteilungen von Finanz- und Stadtentwicklungsverwaltung haben fast zwei Jahre mit ebenjener Unternehmensberatung Rambøll Verbesserungsvorschläge erarbeitet. „Die Ergebnisse haben wir abgestimmt, es herrschte Konsens“, berichtet Schulz. Noch im Juni 2004 schrieb Staatssekretärin Hella Dunger-Löper (SPD) in einem Bericht an den Unterausschuss Stellenwirtschaft, die Umsetzung der Ergebnisse durch die Bezirke stünde 2005 an. Offenbar waren sie nicht effizient genug: Die Berater bekamen einen zweiten Auftrag – ohne Absprache.

Einen „bösen Affront“ nennt Baustadtrat Gröhler die Strategie, sein Amtskollege Schulz kritisiert die „Arroganz der Macht“: „Sie scheren sich nicht um das Wissen der Fachleute.“ Erst aushorchen, dann durchleuchten, so verfährt der Senat nach taz-Informationen auch mit den Vermessungsämtern (Text unten).

Die Regierung hält es nicht für nötig, das Parlament von solchen Gutachten in Kenntnis zu setzen – obwohl das vorgeschrieben ist. „Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer will anscheinend eine Diskussion über ihren Plan verhindern“, sagt der grüne Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger. Das Abgeordnetenhaus bleibt auch in anderer Hinsicht außen vor. Für eine Senatsentscheidung ist keine Gesetzesänderung, etwa im Bezirksverwaltungsgesetz, nötig.

Die Taktiererei legt Vermutungen nahe, wie sie Baustadtrat Schulz hegt – längst nicht als Einziger: „Nach zwei Jahren wird man ganz überrascht feststellen: Ups, die Totgeburt funktioniert nicht.“ Will heißen: Der Weg wäre frei für ein zentrales Bauamt in Landesregie. Dem könnte das Parlament dann schwerlich widersprechen – nachdem die Bezirke die Zentralisierung light bereits hinter sich haben.