wortwechsel
: Sprachpolizei stört klärenden Austausch

Wichtige Debatten werden durch pauschale Rassismuskritik verwässert. Bitte keine Wenn-dann-Keule beim CoronaTest. Müll ist mehr wert, als man denkt

Mund auf! Foto: imago

Planungsdinosaurier

„Wo ist die grüne Linie?“,

taz vom 21. 7. 20

„Wenn diese Affäre (des illegalen Datenabrufs von hessischen Polizeicomputern) kein Grund ist für einen Koalitionskrach, welche dann?“, kommentiert Stefan Reinecke.

Da wäre neben dem Flughafenausbau noch der Weiterbau der A 49 zu nennen! Mindestens 85 Hektar über 100 Jahre alter Eichen- und Buchenmischwald sollen für eine sinnlose Parallelautobahn zur A 5 gerodet werden. Der hessische grüne Verkehrsminister verteidigt sich mit der Behauptung, er führe nur aus, was im Bund beschlossen wurde.

Aber die in Hessen verantwortete Planung und Durchführung ist fehlerhaft, wie auch jüngst das Bundesverwaltungsgericht in dem Klageverfahren des BUND Hessen festgestellt hat.

Leider war dem Gericht das Festhalten an seinem früheren Urteil wichtiger als eine inhaltliche Korrektur. So wird unter einem grünen Wirtschafts- und Verkehrsminister gnadenlos ein Planungsdinosaurier aus den 1960er Jahren durchgepeitscht. Christoph Schulze-Gockel, Marburg

Absurde Fragen

„Alles Rassisten?“, taz vom 28. 7. 20

Der Autor übersieht leider den offensichtlichen Unterschied zwischen den Menschen, die wie er und ich als Erwachsene einwanderten, und den Menschen, die in Deutschland aufgewachsen oder sogar hier geboren sind. Es ist auch interessant, dass meine Kinder nur gelegentlich gefragt werden: „Wo kommst du her?“ Noch seltener kommt die Zuspitzung „Woher kommst du eigentlich?“

Aber ich bin ganz sicher, dass andere Mittzwanziger mit den gleichen Voraussetzungen – in Deutschland geboren und aufgewachsen, deutsche Muttersprache, deutsche Mutter, deutsche Schulbildung, nicht deutsch klingender Familienname – diese Fragen viel häufiger hören, wenn sie eine viel dunklere Haar- oder Hautfarbe haben. Wie erklären sich der Autor und die Leser diesen Unterschied?

Sergio Parimbelli, Berlin

Direkte Gespräche

„Alles Rassisten?“, taz vom 28. 7. 20

Dem Zitat der Erziehungswissenschaftlerin DiAngelo kann ich keine pauschale Rassismuskritik entnehmen, sondern eher die Aussage, dass man sich des eigenen Rassismus oft nicht bewusst ist. Und das, denke ich, ist durchaus berechtigt. Da kann sich niemand rausnehmen.

Wir müssen uns überlegen, was es bewirkt, wenn wir mit dem Finger auf andere zeigen. Das Opfer wird zum Ankläger und somit indirekt wieder zum Täter.

Diese Täter-Opfer-Ankläger-Spirale ist eine sehr destruktive Kommunikationsweise. Wenn es uns aber gelingt, uns da rauszunehmen, uns nicht angegriffen zu fühlen und dem Ankläger möglichst unverzerrt seine Anklage zu spiegeln, dann kommen wir in einen gewinnbringenden, direkten Kommunikationsprozess. Und direkte, ehrliche Kommunikation ist das Urbedürfnis eines jeden Menschen. Wir reden leider viel zu oft über- statt miteinander. Kornelia Renner, Dresden

Kontext beachten

„Alles Rassisten?“, taz vom 28. 7. 20

1997 aßen wir gemeinsam mit unserem 16-jährigen Pflegesohn aus Angola zu Mittag, als mein damals dreijähriger Sohn ihn fragte, warum er eigentlich so eine komische platte Nase habe. Wir lachten alle herzlich über diese kindliche Neugier und der Pflegesohn erklärte seinem kleinen Bruder, dass das bei Schwarzen so sei.

Müsste ich, würde sich diese Szene heute abspielen, mich fragen, ob ich meinem Kind womöglich rassistisches Denken weitergegeben hätte? Ich behaupte: Nein! Denn es kommt auf den Kontext an, in dem ich etwas formuliere. Und in einer zugewandten netten Atmosphäre kann ich auch fragen: Woher kommst du – ohne eine Rassistin zu sein.

Sprachpolizeiliche Regelungen und pauschale Negativzuschreibungen hingegen bringen keine positiven Veränderungen in die absolut berechtigte Debatte.

Christiane Frerichs, Recklinghausen

Müll-Ökonomie

„Deutsche haben Trennungsprobleme“,

taz vom 28. 7. 20

Der Biomüll soll aus dem Restmüll, weil er dessen Heizwert vermindert. Restmüll wird oft als billiger Kohleersatz angesehen. Vergleichen Sie Kommunen mit und ohne Abfallverbrennung: In denen mit gibt es schon seit Langem Biotonnen. Allerdings sind dies auch die Kommunen, die den Grünen Punkt sabotieren, denn der Verpackungsmüll ist im Wesentlichen veredeltes Erdöl, dessen Heizwert will man sich nicht entgehen lassen.

So muss der Bürger, der verantwortungsvoll in München den Müll trennt, diesen zum nächsten Wertstoffsammelpunkt bringen, wo ihn ein stinkender übervoller Container erwartet. Die schwarze Tonne steht vor dem Haus – und die Quote sieht dementsprechend aus.

Friedrich Thorwest, München

Linksautoritär

„Wer nicht hören will, muss testen“,

taz vom 27. 7. 20

Schon seit Wochen gefällt mir der Grundton der taz bezüglich der Covid-Pandemie nicht. Der achtsame und kritische Umgang mit den Freiheitsrechten der Bürger kommt mir viel zu kurz.

Dass ich mich jetzt als Urlaubsreisender als „Ichling mit persönlichem Karmakonto“ verleumden lassen muss und man am besten die Grenzen wieder dicht mache, ist mir dann doch zu viel.

Wenn die taz weiter in die linksautoritäre Ecke driftet, Drohungen und drastische Strafen als geeignete Mittel gegen angeblich uneinsichtige Bürger propagiert, wäre das schade. Aber dann ist die taz halt nicht mehr meine Zeitung. Jörg Mellies, Aachen

New Culture Wars

„Alles Rassisten?“, taz vom 27. 7. 20

Ich bin sicher, der Debattenbeitrag „Alles Rassisten?“ von Levent Tezcan wird eine riesige Resonanz erfahren von allen (also beiden) Seiten. Nicht zuletzt von Leuten wie mir (Liberalen mit privilegiert weißen und männlichen Namen), die sich von einer Colorierten Person absolviert fühlen dürfen – gell?. Aber die kampagnentrainierte „andere“ Seite wird nicht müßig bleiben. Ich würde mir übrigens persönliche Erfahrungsberichte von Feddersen, Nottebrock und jetzt eben Tezcan als Kampagnenobjekte wünschen, ich zweifle nicht, sie haben mancherlei zu erzählen. Manfred Eisenberg, Köln

Mit Corona leben lernen

„Wer nicht hören will, muss testen“,

taz vom 27. 7. 20

Corona wird uns bleiben wie die Grippe und alljährlich in Wellen wiederkehren. Sollen wir bis zur Entwicklung besserer Heilmittel unseren Kindern die soziale und immunologische Entwicklung verweigern und ihnen dann ein Leben ohne Festivals, unbeschwerten Feten und Gruppenerlebnisse, dafür aber mit Allergien übergeben? Es ging mal um die Überlastung des Gesundheitssystems. Schaffen wir ein pandemiefestes Gesundheitssystem, statt die Folgeschäden eines Lockdown zu finanzieren. Karl-Heinz Werner, Berlin

Kritisches Abwägen

Wer nicht hören will, muss testen“,

taz vom 27. 7. 20

Es wird wieder einmal unkritisch das Mantra vertreten, einziges Ziel in der Corona-Pandemie könne nur das Minimieren der Fallzahlen sein. Kein Wort darüber, wie viel Menschen durch die damit verbundenen Einschränkungen existentiell bedroht werden, kein Wort über Menschen, die in schwere Depressionen geraten sind, kein Wort über die Belastung von Kindern. Es gibt in diesem geradezu klassischen Dilemma mit Sicherheit nicht den einen richtigen Weg.

Jochen Riegger, Berlin