Am Rand der Gesellschaft

FILME AUS FRANKREICH Von der mühsamen Suche nach einem eigenen Platz im Leben: Die fünften Französischen Filmtage zeigen bis Mitte August acht neue Spielfilme und eine Dokumentation junger Filmemacher_innen. Die erzählen vor allem von sozialen Verwerfungen

Eine spannende Sicht auf die Banlieue bekommt man dabei allemal

VON GASTON KIRSCHE

So jung wie die Regisseure selbst sind ihre Protagonisten nicht immer. Eines aber verbindet die Filmemacher_innen und ihre Figuren: Ihren Platz im Leben und in der Gesellschaft müssen sie erst noch finden, erläutert Estelle Fromant. Die Studentin aus Nantes hat gemeinsam mit Kommiliton_innen die Filme für die fünften Französischen Filmtage im Metropolis-Kinos ausgewählt. Bis Mitte August sind sechs Spielfilme, eine Dokumentation und ein Zeichentrickspielfilm junger, außerhalb Frankreichs noch unbekannter Filmemacher_innen zu sehen, nahezu alle deutsch untertitelt.

In Zeiten von Wirtschaftskrise und Gewinnmaximierung um jeden Preis spielen die sozialen Verwerfungen dabei nicht nur im Eröffnungsfilm „Louise Wimmer“ eine zentrale Rolle. Louise Wimmer, Mitte 40, hat die Scheidung aus der Bahn geworfen. Seit der Trennung, auch von ihrem Kind, wohnt sie im Auto. Eine Sozialwohnung hat das Amt ihr zugesagt, aber wann? Mit einem kleinen Job im Hotel versucht sie sich über Wasser zu halten, das Geld ist knapp. Oft nimmt die Kamera ihre Perspektive ein, ist parteilich, etwa, als sie in einem Schnellrestaurant eine Gelegenheit für eine Gratismahlzeit abwartet, die Blicke durch den großen Raum wandern. Eine Entdeckung ist Corinne Masiero, die Louise Wimmer spielt: stark, wie sie am Rande der Stadt neben ihrem Auto wie in Trance ihre Verzweiflung tanzt, zu „Sinnerman“ von Nina Simone. Schade, dass die Protagonistin sich kaum weiterentwickelt, die Filmhandlung so auf der Stelle tritt.

In „8 fois debout“ ist Elsa das Jobben leid, sie will endlich eine abgesicherte, geregelte Arbeit. Auch, um das Sorgerecht für ihren Sohn zu bekommen. Der Film bebildert anschaulich, wie zahlreich die prekär Beschäftigten sind, die vereinzelt um ihre soziale Absicherung kämpfen. Mathieu wohnt auf der gleichen Etage und ist in einer ähnlichen Lage: Vorstellungsgespräche, Absagen, Existenzängste. Immer wieder.

Philippe Faucaons „La désintégration“ zeigt schwer religiöse Mütter mit Kopftuch und Jugendliche ohne Chance auf gesellschaftliche Teilhabe in der Banlieue von Lille: gemeinsam Zeit totschlagen am Rande der urbanen Gesellschaft. Drei große Jungs lernen einen Islamisten kennen. Er greift ihren Unmut über die erlittene Ausgrenzung scheinbar auf, vermittelt ihnen eine kulturalistische Identität: Du bist als Muslim geboren. Vieles bleibt dabei zu holzschnittartig, eine Gegenüberstellung von französischem Rassismus und islamistischem Terrorismus. Eine spannende Sicht auf die Banlieue aber bekommt man dabei allemal.

■ bis Sa, 18. 8., Metropolis, Kleine Theaterstraße 10, www.metropoliskino.de