Harald Keller Der Wochenendkrimi
: Randale und Hiebe

Der Däne Nicolas Winding Refn lieferte mit „Drive“ einen der besten Filme 2011. Die unterkühlte Gangsterballade erinnerte an Refns Debütwerk „Pusher“, mit dem der damals 26 Jahre alte Autodidakt 1996 den Auftakt zu einer gefeierten Filmtrilogie schuf.

„Pusher II“, 2004 entstanden, ist keine Fortsetzung im eigentlichen Sinne, sondern eröffnet eine Nebenlinie der Erzählung. Mit Tonny, wieder gespielt von dem seit „Casino Royale“ weltbekannten Mads Mikkelsen, rückt eine Figur in den Vordergrund, die im Vorgänger nur zu Beginn aktiv und dann aus dem Film hinausgeprügelt worden war.

Tonny sitzt noch in Haft, als wir ihm wiederbegegnen, wird aber bald entlassen. Der Schläger mit dem vernarbten Kahlschädel und der „Blood & Honour“-Tätowierung auf dem Rücken ist ein ausgewachsener Kerl mit kindlichem Gemüt, ohne jegliches Gefühl für bürgerlich-moralische Werte. Tonny bewegt sich zwischen Dealern und Hehlern, Junkies und Prostituierten. Seine Mutter war eine von ihnen, sein abweisender Vater ist Kopf einer Bande von Autodieben. Wie vordem sein Freund und Komplize Frank (Kim Bodnia, bekannt als Martin Rohde aus „Brücke in den Tod“), gerät auch der deutlich tumbere Tonny in einen Strudel mörderischer Missgeschicke und letztendlich in eine ausweglose Situation.

„Pusher II“, wiederum ein meisterliches Gangsterdrama, zeigt das wahre „Angesicht des Verbrechens“, ohne die romantisierenden Anflüge der gleichnamigen deutschen Fernsehserie. Die „Pusher“-Filme wirken reportagehaft, die handgeführte Kamera entfernt sich selten mehr als eine Armlänge von den Protagonisten. Die Sprache ist realistisch derb, die Rollenbilder und die Hierarchien unter den Kriminellen sind genau gezeichnet. Private, selbst familiäre Beziehungen treten hinter die Gesetze des Milieus zurück. Eine grausame Welt. Und anders als Frank hat Tonny nicht einmal eine Vorstellung davon, dass es noch eine andere geben könnte.

„Pusher II“, So., 22.20 Uhr, Tele 5